Im Grunde verbringen wir doch den ganzen Tag damit, zu verstehen und zu entwirren. Damit uns nichts passiert.
Kausalität [2] ist angewandter Kontext. Dies soll zu Beginn explizit hervorgehoben werden, da im klassischen lexikalischen Verständnis der Begriff kausal über den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung definiert wird, jedoch das bedeutende, der Zusammenhang zum Kontext als das thematische Beziehungsgeflecht wird dabei nicht ausreichend definiert.
Kausalität ist ohne Kontext nicht möglich.
Kausalität ist angewandter Kontext.
Im hier gemeinten Sinn sprechen wir von kausal, wenn man das Ursächliche meint, den Kern dessen, welcher in der Folge über einen gewissen Prozess zu einem anderen, einem neuen Zustand führt. Dieser Prozess benötigt die Kompetenz, den Kontext zu verstehen bzw. zu berücksichtigen. Man könnte auch (provokativ) sagen, dass eine kausale (Problem-) Lösung ohne das Verständnis der damit verbundenen Kontexte nicht oder nur ungenügend möglich ist.
Das Thema Kausalität wird an anderer Stelle vertiefend weiter behandelt. Hier sollen nur einige zentrale Aussagen getroffen bzw. Hypothesen vorgestellt werden, die diesen Begriff einer anderen Perspektive unterwerfen.
In der Theorie werden vor allem Monokausalitäten, Multikausalitäten und Kausalketten unterschieden. Die einzelnen Begriffe sind mehr oder weniger selbsterklärend.
Bei der Monokausalität gibt es eine Ursache mit einer Wirkung. Beispiel: Ein starker Wind (Ursache) kippt ein Fahrrad, das dadurch auf die Seite fällt (Wirkung). Es ist natürlich auch möglich, dass durch eine Ursache (den Wind) mehrere Wirkungen ausgelöst werden. Das Fahrrad fällt, ein Pappbecher wirbelt durch die Luft und verklemmt sich unter dem Fahrrad.
Bei der Multikausalität kommen mehrere Ursachen zusammen und bewirken eine gemeinsame oder auch mehrere Wirkungen.
Beispiel: Ein starker Wind kippt ein Fahrrad zur Seite. Ein Fahrradfahrer in der Nähe ist durch ein unsicher fahrendes Auto neben ihm unaufmerksam (der Wind ist nicht die Ursache) und er fährt in das auf dem Boden liegende Fahrrad und stürzt.
Man erkennt sofort, wäre der Wind eine weitere Irritation für den Fahrradfahrer, dann wäre eine weitere Ursache im Spiel.
Bei einer Kausalkette gibt es eine strenge, zeitlich aufeinander bezogene Abfolge von Ereignissen, die alle auf eine Ursache zurückzuführen sind und die nur in dieser Reihenfolge zu dem finalen Ergebnis führen können.
Beispiel: Ein starker Wind kippt ein Fahrrad, das dadurch auf die Seite fällt. Es fällt in Richtung der Fahrbahn und ein Autofahrer wird verunsichert, der dadurch ins Schlingern gerät. Dadurch wird ein neben ihm fahrender Fahrradfahrer irritiert. Er verliert die Kontrolle über sein Fahrrad und fährt in das auf dem Boden liegende Fahrrad und stützt.
Die aufmerksame Leserin oder der aufmerksame Leser wird vielleicht ins Nachdenken kommen.
Welche Rolle spielten die Umfeldfaktoren für die einzelnen Ereignisse. Gibt es mögliche Zusammenhänge, wie die Umgebung beschaffen sein musste, dass der Wind aus diesem Winkel und in der Geschwindigkeit auf das Fahrrad treffen konnte? Welche Rolle spielte die Tatsache, in welcher Richtung das Fahrrad auf dem Boden stand? Was wäre gewesen, wenn neben dem Fahrrad ein Motorrad gestanden hätte? Was wäre gewesen, wenn eine Person im Augenblick des Windstosses vorbeigegangen wäre? Und so weiter.
Schnell wird klar, dass die singuläre Situation ausschlaggebend für eben exakt dieses Ereignis war.
Aber weiter: Wurde das Fahrrad durch den Sturz beschädigt? Hat es an der Stelle, wo es zur Seite auf den Boden kippte, etwas beschädigt oder auch nur eine Spur hinterlassen?
Würde man dieses gedankliche Experiment mit dem Beispiel der Multikausalität bzw. der Kausalkette weiter spielen, wäre schnell klar, dass die Potenzen dessen, was vorstellbar ist, schnell ins Unendliche tendieren. Meine Hypothese ist demnach:
Eindeutig in sich geschlossene kausale Ereignisse gibt es nicht, es kann sie nicht geben. Sie sind immer eine bestimmte (von einer Instanz entschiedene) Eingrenzung bzw. Betrachtung.
Man könnte auch sagen, sie sind immer das Ergebnis eines Filters (zb. der Perspektive), vor allem aber der Intention und damit das, was für die Betrachtung (den Betrachter) in der jeweiligen Situation relevant ist. Alles andere wird herausgefiltert, es bleibt im Unsichtbaren oder mindestens im Unklaren.
An anderer Stelle wird das Thema der Kausalität in konkreten Anwendungsszenarien neu und anders besprochen. Dabei geht es um die Unterscheidung zwischen inkrementellen und iterativen Prozessen. Inkrementelle Anwendungen findet man vor allem im Zusammenhang der von Produktion konkreter Güter. Das Produkt macht einen exakten Ablauf nötig, damit es so erstellt (und in der Folge verbessert) werden kann.
Davon unterschieden sind iterative Prozesse. Sie sind davon gekennzeichnet, dass sie ebenfalls zu einem Ergebnis führen, jedoch durch die permanente Wiederholung des gesamten oder einem Teil der Prozesse zu Variationen oder/und zu einem besseren Ergebnis führen (sollen). Die Variante, die bessere Variante oder sogar eine darauf aufbauende Neuerung ist das Produkt. Es entzieht sich also durch diesen Prozess einem finalen Zustand (eben dem einen Produkt, das genau in diesem Zustand als Serie realisiert wird).
Das Thema soll hier nicht weiter vertieft werden. Es wird in anderen Zusammenhängen immer wieder auftauchen.
Allerdings soll damit die Bedeutung herausgestellt werden, welche in unserer täglichen Realität, im Mikrokosmos jeder individuellen Umgebung und im Makrokosmos globaler Produktivkräfte dadurch beeinflusst werden. Eine weitere Hypothese ist daher:
Die Wirkkräfte der Kausalität, also der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung, ist zwar in der Theorie abgrenzbar oder kann als strenge Abfolge (wie bei der Kausalkette) beschrieben werden.
Allerdings ist die (systemische) Situation, welche schliesslich zu einem Ergebnis führt, vor allem radial angelegt.
Es gibt auf unterschiedlichen Relevanzebenen verschieden wirksame Einflussfaktoren, die alle in Bezug (Distanz) zum avisierten Ziel der Problemlösung an dem Ergebnis teilnehmen.
Wer sich weiter für das Thema interessiert, hier ein Text mit dem [Kunst-] Titel Kausalradien.
Wer doch lieber auf Papier lesen möchte, findet hier das PDF.
© Carl Frech, 2019
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