Vielleicht spiegeln Kinder ja tatsächlich die Welt, so wie sie ist. Doch ab wann werden sie Teil des Systems?
Menschen haben schon immer etwas unternommen. Man muss das Werden des Homo Sapiens nicht in allen mehr oder wenigen spekulativen Theorien verstanden haben, um zu verstehen, dass das Wagnis, das Risiko und damit auch der Verlust des Gewohnten, schon immer zu dem gehörte, was Menschen tun mussten, um die Nachteile ihres aufrechten Gangs, den Verlust ihrer körperlichen Kraft und dem grösser werdenden und immer mehr Energie fressenden Gehirn, etwas entgegen zu setzen, was doch zuletzt zum Erfolg auf diesem Planeten führte.
Um zu verstehen, warum Menschen auf so verrückte Ideen kommen, in den nächsten Jahrzehnten Rohstoffe aus dem Weltraum [2] auf die Erde zu holen und in der Folge vielleicht komplett unseren Planeten und auf Dauer zu verlassen, muss man nur Kindern ein wenig beim Spielen zuschauen.
Kinder, wenn man ihnen die Freiheit dazu gibt, begegnen der Welt mit offenen und für nahezu alles neugierigen Augen. Dabei flanieren sie mit einer eher beiläufigen Aufmerksamkeit und in ihrer eigenen Zeitwahrnehmung [2] durch die Möglichkeiten dessen, was spannend ist, was ihnen in einem Moment plötzlich dominant in ihrer Wahrnehmung erscheint. Sie bemerken etwas und das Bemerkte ist dabei meistens neu und unterscheidet sich vom schon bekannten, gewohnten.
Die menschliche Natur bringt es mit sich, dass wir, und damit auch und vor allem Kinder, einen Zeitraum der Annäherung brauchen, sie beobachten das neue und schätzen ab, ob es eine Gefahr mit sich bringt, oder auch nur, ob sich die Spannung so hält, dass sich eine weitere Beschäftigung damit lohnt.
Wenn dies so ist, so entschieden wurde und damit eine erste wichtige Phase abgeschlossen ist, mehr oder weniger eine Art Einwilligung zum Lernen, dann beginnt der Prozess des Zerlegen. Das Kind beginnt das Beobachtete in seiner Fantasie und, soweit eben möglich, konkret zu zerlegen. Sei es durch Anfassen und von einer Stelle zur anderen zu legen, sei es durch das Wenden und damit aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten, oder eben durch wirkliches auseinander nehmen, ein Vordringen und Eindringen zu dem Ding und damit zu einem ersten Verständnis [2] [3]. Dieses Zerlegen kann man auch als eine Form des Einvernehmens beschreiben. Das Kind nimmt das Teil und nimmt es damit zu sich. Mehr als ein physikalischer Akt, ist dies ein konkretes Nehmen, eine Entscheidung, die auch und immer in Bezug auf das eigenen Ich gemeint ist. Und damit ein sehr individueller Akt.
Das Zerlegen führt in der Regel zu einer wichtigen Zäsur [2] für das Folgende. War das bis dahin Erfahrene interessant und relevant genug, dann beginnt eine Phase des neu ordnen. Getrieben durch die Vorstellung der Möglichkeiten, was nun denk- und machbar wäre, beginnt das Kind die Teile neu zu kombinieren, dabei bleiben auch gerne Teile zurück und neue kommen dazu. Ein kreativer Akt, der mehr oder weniger ein Ziel verfolgt. Es ist intuitiver Vorgang, der, gekoppelt mit der rationalen Begleitung, die Potenziale erkundet und damit beginnt ein höchst innovierender Prozess, den man auch als eine Art des Entwerfens, des eigenen Wurfs zu etwas Neuem bezeichnen könnte.
Wenn das Kind bereit zu dem eigenen Entwurf war, ist, in seinen Augen, auch tatsächlich etwas Neues entstanden. Ein individuelles und selbst geschaffenes Ergebnis, das sich von dem Vergangenen bzw. dem Vorgefundenen deutlich unterscheidet oder dies sogar soweit zerstörte, dass es sich komplett neu darstellt und alles andere zurück lässt.
In und mit dieser Phase entsteht oft eine Form sehr individueller Kompetenz [2]. Das Kind hat selbst etwas gemacht, es hat damit etwas erkannt und in einer Weise verstanden, dass es zu einem auf das eigene Ich bezogenes Können wurde. Das habe ICH gemacht.
Diese Machen macht stolz, es führt in dem jeweiligen sozialen Umfeld meistens zu dem dringenden Bedürfnis, dieses Neue vorstellen zu wollen. Das Kind braucht in dieser Phase Reflexion, vielleicht auch den Vergleich, aber immer eine Versicherung, dass ICH das gemacht habe und ES gesehen und idealerweise für ebenso bedeutsam eingeschätzt wird.
Diese Reflexion ist vor diesem Hintergrund also eine Art Bewertung [2] [3]. Das Kind erfährt eine Einordnung in die grössere Welt, in diesem Fall der Erwachsenen. Es kann damit auch einschätzen, ob sich eine weitere Beschäftigung lohnt, oder ob es das Ergebnis und damit die Erfahrung in seiner eigenen, kleineren (Kinder-) Welt belässt. Damit trifft das Kind eine individuelle Entscheidung nach dem finalen Potenzial des Geschaffenen.
Diese Grundlage ist auch die letzte Phase eines Schaffensprozesses, der mit neuen Fragen, ein Hinterfragen dessen, was das Kind geleistet [2] hat, endet und schliesslich alles zurück lässt und das nächste Neue sucht, oder das Interesse wirklich erst jetzt neu geweckt wurde und der ganze Ablauf beginnt im Prinzip von neuem.
Ab diesem Moment hat das Kind eine Entscheidung getroffen: Das ist nicht nur für mich wichtig, sondern scheint auch für andere wichtig zu sein. Damit kann ich erfolgreich sein, da es meinen Stand in der sozialen Gruppe (zum Beispiel der Familie oder bei Freunden) stärkt.
Vor allem aber beginnt ein Prozess des Üben, des Optimieren, des immer besser werden. Das Erreichte wird durch das Wiederholen besser und besser. Es gewinnt an Qualität und damit entsteht vielleicht tatsächlich etwas Wertvolles, etwas, was vielleicht die Welt verändert?
Man könnte diese Beschreibung dessen, wie Kinder die Welt für sich vereinnahmen und diese gleichsam verstehen lernen, auch generalisieren. Welche Erkenntnis kann man daraus nutzen, wenn sich Menschen mit neuen Aktivitäten und damit auch mit der Gründung neuer Unternehmen (New Ventures) beschäftigen? Dies wird in einem weiteren Text vertiefend behandelt.
Wer doch lieber auf Papier lesen möchte, findet hier das PDF.
© Carl Frech, 2017
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