Wir sprechen von Intelligenz und sind noch nicht mal einer Meinung, was Intelligenz bedeutet.
Die Automobilindustrie steht vor einem radikalen Wandel. Von dem, was die letzten 130 Jahre bei einem Automobil die Welt fasziniert hat, scheint nicht viel übrig zu bleiben. Das Produkt Auto scheint sich als eine Art Enzym in einem Konzept für Mobilität aufzulösen. Welchen Einfluss hat die sogenannte Künstliche Intelligenz bei diesem Prozess und welche Szenarien gibt es?
Human-Maschine [2] bzw. Mensch-Maschine scheint ja immer noch ein Begriff der Szene zu sein. Kann es sein, dass diese Formel nicht mehr gut funktioniert, man eher von dem Menschen und einem imaginären System sprechen und, vor dem Hintergrund der Eingeschränktheit des Menschen, eher mit der Idee eines Roboters gedacht werden sollte?
Im Internet findet man deine Arbeit für eine US-Amerikanerin, die nach einem Schlaganfall vollständig gelähmt war und durch einen Roboterarm, den sie über ein Implantat im Gehirn steuerte, eine substanzielle Hilfe bekam. Das Glück der Frau kann man sich vorstellen. Warum denkt man nicht über eine komplett neue Idee eines menschlichen Armes nach? Was hindert uns daran?
Im Jahr 1909 schreibt E.M. Forster, 1879 – 1970, das kleine Buch Die Maschine steht still. Dort beschreibt er die Welt des Internets und der Digitalisierung mit einer visionären Kraft, von der Jaron Lanier sagte: Keiner weiss, wie er das gemacht hat. Welche Visionen einer fernen Welt werden heute schon deutlich oder: Wer waren oder sind die herausragenden Visionärinnen und Visionäre, die uns eine Geschichte der Zukunft erzählen.
Vor 150 Jahren wurde Das Kapital von Karl Marx, 1818 – 1883, veröffentlicht. Dort zeigt er ein Bild der Arbeitswelt, bei der er die Last des Arbeiters als Tauschwert bezeichnet. Sein Produkt wird zum Gebrauchswert, zum positive Delta und damit zur Rendite des Produzenten. Wenn der Tauschwert in einer Welt der KI-gesteuerten Robotik in Zukunft wegfällt, welchen Wert hat dann der Mensch bzw. welchen neuen Sinn müssen Menschen für ihr Leben neu finden?
Wenn der Tauschwert durch den Menschen (als positives wirtschaftliches Delta) in einer Welt der KI-gesteuerten Robotik in der Zukunft zunehmend verloren geht, welchen Wert hat dann der Mensch in der Welt bzw. welchen neuen Sinn muss dann die Welt für die Menschen (er-) finden?
Wir lernen weitgehend auf drei Wegen. Penetration und damit durch die Übung, durch permanente Wiederholung, bis das Gelernte nicht oder kaum noch vergessen werden kann.
Weiter durch eine Art Trauma, also den Schock, das, was durch ein plötzliches Erlebnis und die damit verbundene Intensität nicht mehr vergessen werden kann (idealerweise gibt es vielleicht auch ein positives Traumata, wie zum Beispiel den Moment, an dem man sich – ohne sich dagegen wehren zu können – verliebt hat).
Im besten Fall aber durch die Motivation, wobei hier immer das Motiv klar sein muss; man muss verstehen, was Menschen tatsächlich wollen, welchen Aufwand sie freiwillig leisten würden, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen.
Aber wie funktioniert das bei der Künstlichen Intelligenz im Zusammenspiel mit uns Menschen?
In dem Buch The Circle von Dave Egger wird das Prinzip der Transparenz quasi heiliggesprochen. Das System fordert (damit der Circle sich schliessen kann) die totale Transparenz des Menschen. Transparenz klingt ja auch positiv, klingt sozial, offen und freundlich.
Das Buch beschreibt jedoch eine Form eine Deformation des Begriffes Transparenz. Mit der Perspektive heutiger digitaler Medien schaffen Facebook und Co sicher eine Atmosphäre, man wäre nicht sozial, würde man die anderen nicht an seinem Leben teilnehmen lassen. Die Grenzen, wie Menschen ihren privaten Raum immer weiter digitalisieren (und damit öffnen), wird dabei stetig grösser. Gibt es noch Grenzen?
Was bedeutet dies für das Bild? Die Entscheidung und Gestaltung eines Bildes schien bis heute eine originär menschliche Leistung. Gestaltet man in Zukunft über virtuelle Schieberegler nur noch potenzielle Styles in einem digitalen Raum und entscheidet am Ende nur noch über die Qualität eines damit geschaffenen Ergebnisses? Oder kann es sein, dass das System in Zukunft sogar das visuell bessere Auge hat? Vielleicht gibt es diese Schieberegler aber auch schon und sie sind uns nur noch nicht aufgefallen.
Google arbeitet an KI-Systemen, welche die Bilder auf den Smartphones eines Anwenders analysiert. Wenn dort ein spezielles Restaurant erkannt wird und gleichzeitig aus den geodätischen Daten deutlich wird, dass sich die Person öfter in dieser Gegend aufhält, kann Google die Speisekarte dieses Restaurants automatisch nach den Allergien bzw. Vorlieben analysieren und macht dann Vorschläge, was die Person dort essen könnte bzw. was sie essen sollte. Ist das jetzt ein Fortschritt, oder sollte uns dies angst machen?
In Zukunft sollen KI-Systeme Bilder sensorisch lesen und interpretieren können. Es gab schon 2007 ein Startup mit dem Namen Photosynth. Der Gründer Blaise Aguera hat damals ein System vorgestellt, wo ein System aus Millionen Flickr-Bildern von Notre Dame ein perfektes dreidimensionales Bild der Kirche erstellt (Mapping). Im Jahr 2017 hat Apple mit Face-ID ein neues System zur Identifikation vorgestellt.
War diese Technologie zu Beginn nur für die Entschlüsselung eines Smartphones, entwickelt sich diese Methode langsam zu einem universellen Schlüssel für die digitale Welt. Wofür sind diese digitalen Schlüssel vorstellbar? Welche sind ethisch vertretbar? Oder ist es einfach nur praktisch und man muss darüber nicht wirklich nachdenken?
Mozart hat seine eigenen Stücke oft nur ein- oder zweimal gehört. Seit Jahrzehnten ist Musik in unserer Gegenwart ein selbstverständlicher, ein müheloser und inklusiver Begleiter, der heute meist nur noch gestreamt wird. Könnte man sich ein System vorstellen, welches in Zukunft den bewussten Akt ich mache jetzt dieses Bild abnimmt und einfach mein Leben visuell so perfekt dokumentiert, dass ich mich damit nicht beschäftigen muss? Ein System, dass die Bilder meines Lebens automatisch für mich in einem Bilderbuch zusammenstellt, mir die Zeit für diesen Aufwand spart und damit all die Arbeit, die mit der Archivierung von Bildern verbunden ist? Könnte es sein, dass dieser Service die besonderen Erlebnisse eines Lebens besser, lückenloser und auch professioneller darstellen würde. Könnte es sein, dass Menschen so einen Service gerne nutzen würden? Könnte es sein, dass es das schon gibt und wir dies noch nicht bemerkt haben?
Was halten wir von einem System, welches es erlaubt, all das herauszufiltern, was wir nicht sehen wollen. Zum Beispiel: Ich wurde gestern von meiner blonden Freundin verlassen und möchte jetzt, dass alle blonden weiblichen Menschen in meiner Altersgruppe aus der konkreten physikalischen Welt, in der ich mich bewege, gelöscht werden (Rendering)? Seltsam, an ähnlichen Services wird bereits gearbeitet, obwohl es die dafür notwendigen technischen Systeme im Bereich der Augmented Reality (AR) noch gar nicht gibt.
Google hat das Thema Künstliche Intelligenz zum Kern all seiner Aktivitäten erklärt (übrigens schon im Jahr 2007, als Google Chef Sundar Pichai auf einer Google-Konferenz sagte: Alle unsere Produkte werden mit KI neu ausgerichtet).
Die Firma BOSCH hat in ihren Forschungsabteilungen Künstler und Kreative eingestellt und nennt diese Strange Agents. Deren einzige Aufgabe ist, mit der Arbeit der Forscher und Entwicklerinnen irgendetwas Verrücktes zu machen bzw. um Fragen zu stellen, auf welche diese alleine nie kommen würden.
Brauchen die Unternehmen dieses kreative Dopamin, um nicht blind zu werden in einer Welt, die sich teilweise selbst zu überholen scheint?
Welche Rolle spielt die Hirnphysiologie und damit das Verständnis des menschlichen Gehirns für das Thema KI generell bzw. welche konkreten Erkenntnisse und Ergebnisse (für Produkte und Services) werden dafür abgeleitet und in der Folge genutzt?
Der Begriff Disruptive hat sich in das Bewusstsein der sogenannten Kreativ-Industrie [x] eingebrannt. Welche Rolle spielt radikales und extremes Denken für die Entwicklung neuer Produkte?
In der Hirnphysiologie gibt es den Begriff der Vorbewussten Reizauswertung. Dieser besagt, dass das menschliche Gehirn bis zu 1,7 Sekunden, bevor der Vordere Cortexunseres Gehirns glaubt (also wir), eine eigene Entscheidung getroffen zu haben, schon diese für uns (nicht bewusste) Entscheidung getroffen hat. Aktiv wurden dabei dieBasal-Ganglien, einer der ältesten Teile des menschlichen Gehirns. Kann es sein, dass KI-Systeme für die Menschheit digitalen Basal-Ganglien werden, die uns vorgaukeln, wir hätten die Dinge noch selbst entschieden?
Es gibt heute den Begriff des Transformation Design (gut vorgestellt in einem Buch von Harald Welzer und Bernd Sommer). Darin wird beschrieben, dass Design in Zukunft stärker nach der Relevanz des Möglichen, dem Sinnvollen fragen sollte, also zum Beispiel Fragen zum Umgang mit Ressourcen oder auch den sozialen und damit verbundenen globalen Wirkungen. Kann es sein, dass die KI uns alle zu digitalen Besoffenen macht, die gebeugt über ihre Systeme gar nicht mehr mitbekommen, was wirklich bedeutend ist?
Dieser Text stellt nur ein paar Fragen, will verschiedene Blickwinkel öffnen. All diese Perspektiven werden in anderen bzw. weiteren Texten zum Thema der Künstlichen Intelligenz weiter vertieft.
Für alle, die gerne den zweiten Teil lesen wollen: KÜNSTLICHE INTELLIGENZ_2 [maschine]
Wer doch lieber auf Papier lesen möchte, findet hier das PDF.
© Carl Frech, 2016
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