Es ist vermutlich nicht klug, über Dummheit (dumb) einen Text zu schreiben. Anders geschrieben, bedeutet das Wort auch abladen (dump).
Essenz dieses Textes: Die Spielregeln für eine Sprache, die das Wohl aller in einer Gemeinschaft zum Ziel hat, scheinen sich zu verändern.
Muster werden deutlich, die mit einem Blick zurück in die Geschichte schon öfter in dieser oder einer vergleichbaren Form aufgetreten sind.
Wir zeigen dabei gerne weg von uns und suchen die Schuld, aber auch die Lösung, ausserhalb, bei anderen oder bei schlichten Angeboten, die verführerisch klingen, doch nur eine Pause sind, da sich damit die Probleme nicht auflösen.
Letztlich ist diese subtile Gleichgültigkeit das eigentliche Gift für soziale Erosion und Isolation derer, die glauben, sich diese Form eines dissozialen Verhaltens leisten zu können.
Wer mehr und umfassender zu diesem Thema lesen möchte, hier bitte:
Wir verehren die Vernunft so sehr. Wir gehen davon aus, wenn wir alles gut genug durchdenken, würden wir das Richtige tun. Wir könnten dann kaum scheitern.
Gleichzeitig wissen wir, es gab zu allen Zeiten Menschen, die scheitern mussten, damit andere davon profitieren konnten.
Die Geschichte erzählt in vielen Episoden davon: Menschen haben ihr Leben verloren, da sie mit einem selbstgebauten Gerät fliegen wollten. Viele mussten sterben, da sie auf der Suche nach einem neuen Land in die falsche Richtung gesegelt sind. Andere haben sich vergiftet auf der Suche nach einer Substanz, welche heute Leben rettet.
Heute sind diese Menschen für uns Helden, deren Leistung uns beeindruckt, die wir gerne als Vorbild für unser eigenes Leben wählen. Wären wir nur so mutig? Wären wir wenigstens so aufmerksam?
Wir würden es vermutlich auch als glückliche Fügung bezeichnen, wenn ein Mensch ein Konzentrationslager überlebt hat. Dies nur als Leistung zu betrachten, fällt uns schwerer. Einfach darum, weil wir ahnen, wie schwer es sein muss, das eigene Schicksal in so einer Situation bestimmen zu können.
Von einer Leistung sprechen wir eher dann, wenn ein Mensch sein Leben nach dieser abgründigen Erfahrung neu gestaltet und den Mut für eine bessere Zukunft aufbringt.
Am 18. Februar 2025 ist der Holocaustüberlebende und Präsident des Internationalen Ausschwitz Komitees Marian Turski im Alter von 98 Jahren gestorben.
Im März 1965 nahm er im Rahmen eines Stipendiums in den USA an den Demonstrationen gegen Rassentrennung teil. Er marschierte mit Martin Luther King und vielen anderen von Selma nach Montgomery. Diese Märsche gelten bis heute als der politische und atmosphärische Höhepunkt US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Warum komme ich darauf?
Björn Höcke, * 1972, Vorsitzender der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, sagte: Das grosse Problem ist, dass man Hitler als das absolut Böse darstellt. Höcke wird seit Anfang 2020 vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft.
Donald Trump, * 1946, sprach während des Wahlkampfes Anfang Oktober 2024 in einem Interview mit dem konservativen Moderator Hugh Hewitt von vielen schlechten Genen, die es in den USA als Folge illegaler Migration gebe. Wörtlich: Diese Mörder, wissen Sie, ich denke, das liegt in ihren Genen. Und wir haben derzeit viele schlechte Gene in unserem Land.
Sergej Lawrow, * 1950, Aussenminister der Russischen Föderation, sagte in einem Interview am 05. März 2025, in welchem er nach dem Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, * 1978, befragt wurde: Ich kann die Gedanken dieses Menschen nicht lesen. Andererseits kann man ihn kaum als Mensch bezeichnen.
Am 27. Januar 2020, bei einer Gedenkveranstaltung zum 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz, hielt Marian Turski in Auschwitz-Birkenau eine weltweit viel beachtete Rede, die er den kommenden Generationen widmete.
Dabei beschrieb er den schleichenden Prozess, welcher zu dem damaligen menschenverachtenden Regime und in der Folge zu Auschwitz und anderen Konzentrations- und Todeslagern in Europa geführt hatte. Er schloss seine Rede mit dem von ihm sogenannten elften Gebot:
Du sollst nicht gleichgültig sein.
Die Rede von Marian Turski ist hier im Wortlaut nachzulesen.
Es gibt ein Zitat von Arthur Schopenhauer, 1788 – 1860, das aus einem eher indirekten Blickwinkel zu all dem passt:
Jeder dumme Junge kann einen Käfer zertreten.
Arthur Schopenhauer, 1788 – 1860, deutscher Philosoph
Aber alle Professoren der Welt können keinen herstellen.
Schopenhauer würde heute vermutlich das generische Maskulinum weglassen, vielleicht auch nicht. Aber darum geht es hier nicht. Interessant ist die dissoziale Perspektive, welche sich, allerdings erst auf den zweiten Blick, in dem Zitat versteckt.
Dissozialität bedeutet, direkt aus dem Lateinischen übersetzt, ungemeinschaftlich. Eine Person, eine Gruppe von Menschen, die Bevölkerung eines Landes – die Grössenordnung ist vollkommen variabel – verlässt das Gefüge von Normen und Werten einer Gemeinschaft und verändert damit das soziale Miteinander wie auch die sprachlichen Regeln, welche diese Gemeinschaft ursprünglich für sich vereinbart hat.
Diese Regelbrüche werden jedoch häufig einer anderen Gruppe derselben Gemeinschaft erlaubt.
Kinder dürfen bis zu einem bestimmten Alter die kommunikativen und sozialen Strukturen der Welt der Erwachsenen brechen. Sie sind ja noch klein.
Alten Menschen werden besondere Verhaltensveränderungen gestattet. Sie sind ja schon alt.
Betrunkenen sieht man unter Umständen gewisse Regelverstöße nach. Sie sind schliesslich betrunken.
Männern gestattet man ein weniger sensibles Verhalten. Es sind eben Männer.
Betrunkenen Männern erlaubt man noch mehr, nicht zuletzt wenn sie jünger sind.
Es sind halt junge, betrunkene Männer.
Diese Liste ließe sich in vielfältigen Variationen und Gradationen fortsetzen.
Es ist leicht zu erkennen, wie eine Gemeinschaft subtil zwischen verschiedenen Einordnungen und Betrachtungsebenen differenziert und damit Unterschiede schafft bzw. diese akzeptiert.
Akzeptanz verfestigt sich wie die Abkürzung über einen lockeren Untergrund und wird schliesslich zu einer Verdichtung, ein neuer Pfad entsteht.
Das neue Normativ dringt über einen Latenzkorridor [1] [2] in das kollektive Unterbewusstsein.
Das bedeutet: Der Effekt zunehmender Verdunkelung in der Wahrnehmung tritt so verzögert ein, dass dieser schliesslich niemandem (oder nur wenigen) als relevante Veränderung auffällt.
Es wird nicht mehr oder nur noch von wenigen darüber gesprochen.
Mit einer Metapher könnte man sagen, es entsteht ein intrinsischer Trampelpfad gestörter oder vorsichtiger ausgedrückt: diffuser Kommunikation.
Als Leitbild könnten wir formulieren:
Regelbrüche in einer Gemeinschaft verfestigen sich durch stetige Wiederholung und führen zu einer kommunikativen Verdichtung der Sprache.
Die damit verbundenen Bedeutungen verändern sich und werden in der Folge nur noch unter dem neuen Narrativ wahrgenommen.
Wenn etwas diffundiert, dann breiten sich zwei oder mehr Stoffe aus und vermischen sich in einem natürlichen Prozess [2] zu etwas Neuem.
Wir kennen dies vor allem als sinnliche Erfahrung.
Wir riechen Kaffee am Morgen in der Küche, wir genießen ein heisses Bad und spüren das Badeöl auf unserer Haut, wir riechen den Frühling durch die kraftvollen Veränderungen der Natur, wir geben noch etwas Zitronensaft in eine Suppe und schmecken die Wirkung dieses Geschmacksverstärkers.
Diffusion ist immer auch Entropie im Sinne eines Vorgangs, der nicht umkehrbar ist. Wie soll ich den Zitronensaft aus der Suppe entfernen, das Wasser wieder komplett von dem Badeöl befreien, den Kaffeeduft verschwinden lassen? Selbst wenn dies über ein kompliziertes Verfahren möglich wäre, so verändert sich damit immer die Umgebung, wo dieser Prozess stattfand.
Die Theorie der Entropie erklärt der Rückkehr zum vorherigen Zustand eines Systems eine klare Absage.
Das Prinzip kann man sich mit einer einfachen Analogie [2] [3] [4] vorstellen: Jeder Pullover fusselt nach einer gewissen Zeit, unabhängig von der Qualität des Materials. Aber die Fusseln werden nie [von alleine] pullovern.
Selbst wenn man aus allen Fusseln dieses Pullovers Fäden und mit diesen ein Replikat des Originalpullovers weben würde, so wäre dieser äusserlich im besten Fall der gleiche, da [von aussen] nicht vom Ursprung unterscheidbar, aber eben nicht derselbe.
Ja, das klingt spitzfindig, ist aber wichtig. Warum?
Am 9. November 1989 öffneten sich die Grenzen der damaligen DDR. Ein langer Prozess der entropischen Auflösung des politischen Systems in dem damaligen Staat, welcher unter dem Schutz der damaligen Sowjetunion stand, ging eruptiv und medienwirksam zu Ende, nicht ahnend, was aus dieser Zäsur entstehen würde.
Der deutsche Soziologe Heinz Bude, * 1954, Experte für Makrosoziologie und Exklusionsforschung, hat in seinen Schriften und Interviews rückblickend sehr präzise dargelegt, welche Wirkmächte die Zerschlagung bzw. Veräusserung der Betriebe der damaligen Deutschen Demokratischen Republik bei jenen Menschen bewirkte, die bis zu dem Zeitpunkt dort tätig waren.
Denn dazu ist es notwendig, bestimmte Maximen dieses Landes, das am 7. Oktober 1949 als Konsequenz des Zweiten Weltkrieges gegründet wurde, zu verstehen.
Die DDR verstand sich von Beginn an als antifaschistische Gesellschaft (Staatsdoktrin [2] [3] [4] [5]).
Der Kern des Nationalsozialismus wurde im Kapitalismus [2] [3] [4] verortet.
Folglich musste man, um ein neues Aufkommen von Faschismus zu verhindern, den Kapitalismus bekämpfen.
Das damalige Westdeutschland (BRD) begann wiederum das Experiment einer postkapitalistischen Gesellschaft und nannte dies Soziale Marktwirtschaft [2] [3].
Nach der sogenannten Wende im Jahr 1990 begann der Verkauf nahezu aller Betriebe Ostdeutschlands durch die sogenannte Treuhand [2]. Oft unter ihrem tatsächlichen Wert und fast ausschliesslich an Unternehmen aus dem Westen.
Nach Heinz Bude betrachtete sich die DDR als eine Art Gesellschaft von Grossbetrieben, welche sich wiederum als Gesellschaft in der Gesellschaft verstand.
Die Zerstörung dieser Betriebe wurde als Zerstörung eines gesellschaftlichen Gefüges wahrgenommen, soziale Strukturen wurden aufgelöst, identitätsstiftende Orte verschwanden.
Die Menschen in diesem neuen Teil Deutschlands gingen in den ersten Jahren noch davon aus, mit ihren Kompetenzen in diesem neuen und gemeinsamen Land einen gemeinsamen Sinn entfalten zu können. Das Warten wurde jedoch über die Jahre für viele zu einer Enttäuschung.
Menschen, vor allem Frauen, zogen in den Westen oder blieben entmutigt zurück. Die ehemals weiblichste Gesellschaft Europas (die DDR) wurde in der Folge zur männlichsten.
Inzwischen ist viel Zeit vergangen und es sind heute die Kinder bzw. die Enkel derer, deren Hoffnung – gerechtfertigt oder nicht – in der Zeit Anfang der 1990er-Jahre nicht erfüllt wurde, die jene Geschichten ihrer Familien oft gehört und in sich aufgenommen haben (Internalisierung).
Und vermutlich sind es diese rotierenden sozialen Denkzirkel, welche heute zu radikalen, zu demokratiekritischen oder auch zu demokratiefeindlichen Haltungen führen.
Die Schmarotzer sind stets und mit grosser Aufmerksamkeit in der Nähe dieser Menschen. Parteien wie die AfD verstehen sich auf die angstfördernden medialen Duftstoffe, um jene Menschen anzulocken, welche sich in einer dramatisch verändernden Welt zunehmend verunsichert fühlen.
Ich sprach weiter oben von dem Prinzip der Entropie und der Unumkehrbarkeit eines Prozesses, der zwingend zu einer Veränderung führen würde. Ich sprach auch von Diffusion als eine Bedingung für Entropie.
Heinz Bude führt in seinen Schriften aus, es wäre wohl besser, das Narrativ einer gemeinsamen Gesellschaft zu verabschieden, die Unterschiede nicht nur zu akzeptieren, sondern diese als Potenzial zu erkennen, auch zu würdigen und schliesslich zu fördern.
Wenn Unterschiede nicht als konkurrierendes Defizit wahrgenommen werden, könnten sich daraus langfristig gemeinsame Ziele erreichen lassen.
Jetzt aber zurück zu einem wichtigen Aspekt weiter oben in diesem Text.
Diffusion bedeutet Vermischung zweier im Prinzip fremder Stoffe. Daraus entstünde etwas Neues, etwas in dieser Form nicht Planbares.
Menschen sind im weitesten Sinn [stoffliche] Entitäten. Wir sind alle einzigartige Wesen und gleichzeitig eingebunden in ein soziales System, wir könnten auch von einem Soziotop sprechen.
Letztlich basiert jeder soziale Kontakt zu einem gewissen Grad auf Nichtplanbarkeit. Selbst wenn wir uns schon lange kennen, es gibt stets Überraschungen, meistens passiert etwas Unerwartetes. Sei es auch nur alltäglich und scheinbar unbedeutend. Wir alle kennen das.
Jede Form der Kommunikation, jede soziale Nähe ist ein mehr oder weniger bewusster Prozess der Filterung aller Eigenschaften, die in den gegebenen [zeitlich und räumlich] Grenzen ein Mischverhältnis einnehmen.
Bei Software würden wir von Objekten, deren [differenzierenden] Metadaten (Eigenschaften) und den [verbindenden] Referenzen sprechen. Das nur als Sidekick zum Thema.
Auch innerhalb der Biologie der, ihrer eigenen Existenz unterschiedlich bewussten Säugetiere, und damit auch von uns, sprechen wir von Entitäten, deren Eigenschaften und den Beziehungen zwischen diesen. Ein einfaches Beispiel in drei Szenen:
Wir sind auf einer Reise in den USA, in Boston. Wir sind dort zum ersten Mal und erst seit drei Tagen in der Stadt. Wir haben Hunger und würden gerne etwas typisch Amerikanisches essen. Wir schlendern durch die Strassen und sehen einen Mann mittleren Alters. Er ist leger gekleidet und scheint nicht in grosser Eile zu sein. Wir sprechen ihn an. Er nimmt sich einen Moment Zeit und gibt uns ein paar Tipps, wo wir etwas zum Essen finden, was unserem Wunsch nach typisch amerikanischem Essen entspricht.
Soweit, so gut und wenig überraschend. Szenenwechsel: Eine junge Frau, die auf einer Treppe sitzt und das kurze Gespräch verfolgt haben muss, spricht uns an. Sie meint, dass typisch amerikanisch ja auch etwas Mexikanisches , etwas Chinesisches, Peruanisches, Japanisches oder auch etwas Deutsches bedeuten könnte (es war ihr schnell klar, dass wir aus Deutschland sind). Wir hören ihr ein wenig zu, allerdings nicht sehr lange, da wir ja tatsächlich nach einem Restaurant suchten, um gute Burger zu essen.
Noch ein Szenenwechsel: Wir sind zurück in Deutschland. Ein paar Wochen später werden wir von Freunden zum Essen eingeladen. Wir kennen dort nur das befreundete Paar und treffen sonst auf für uns fremde Menschen. Wir gehen natürlich davon aus, dies sind Freunde unserer Freunde.
Im Verlauf des Abends sprechen wir über manch Belangloses, Themen, die zum Kennenlernen gut geeignet sind. Während eines Gesprächs mit einem deutlich jüngeren Mann aus Südafrika fragte dieser, wo er in Berlin etwas Typisch Deutsches zum Essen finden würde.
Wir erinnerten uns sofort an die beiden Szenen in Boston und kamen mit unserer Antwort ein wenig ins Schlingern.
Ja, schon klar, diese drei kurzen Beispiele sind trivial, geradezu banal in ihrer Alltäglichkeit, und es scheint kaum notwendig, die jeweiligen Szenen im Detail zu betrachten. Für mich ist gerade die Beiläufigkeit das Bedeutende. Warum?
Folgende Fragen sind wichtig: Welche Faktoren, also Eigenschaften, haben in welcher Kombination zu welcher Entscheidung geführt und welche aktive bzw. souveräne Rolle konnte dabei zum Einsatz kommen? Wie können wir diese drei Episoden interpretieren?
Vor dem Hintergrund unserer indivduellen Prägungen kreieren wir auf der immaginären Bühne dieser drei kurzen Szenarien, wir könnten auch von Geschichten sprechen, bestimmte Zuordnungen zu den vorgestellten Protagonistinnen und Protagonisten. Wobei wir indirekt auch von Antagonisten [2] sprechen.
Wir ordnen jedem Typ bestimmte Eigenschaften zu, die wir – mehr oder weniger – mit uns korrelieren, wir uns also diesen Figuren in gewissen Weise nahe fühlen bzw. für diese [spekulative] Nähe auch Gründe nennen könnten.
Diese meist unbewussten Attribute sind ähnlich schwer zu vermeiden, als würden wir einen neuen Pfad einschlagen, wenn der bekannte Trampelpfad doch so bequem und als bekanntes Terrain vor uns liegt.
Es wird schnell klar: Die Übergänge zu Urteilen, die wir bei genauem Hinsehen hinterfragen müssten, sind fragil. Zügig könnten wir alles als Vorurteile entlarven oder so bezeichnen, da wir im Grunde nie sicher sein können. Wir könnten immer an allem zweifeln und würden schliesslich keine Entscheidung treffen (müssen).
Oder wir ordnen unsere Entscheidung dem unter, was uns am wenigsten gefährlich erscheint.
Vorurteile sind ein zentraler Aspekt dessen, warum ich diesen Text schreibe. Eine Metapher dazu: Denken wir an einen Besuch in einer Sauna.
Die Nacktheit der Besucher:innen in einer Sauna schränkt die Faktoren für eine gegenseitige Einschätzung und damit Beurteilung der Person deutlich ein. Warum?
Ich kann über das Alter spekulieren, kann über die Hautfarbe, über wenige äussere Attribute wie Haare, einen Bart, Make-up, ein Tattoo oder Ähnliches, vielleicht auch ein besonderes Verhalten, manche Gesten, die Stimme und generell die Präsenz des Auftretens der Person spekulative Rückschlüsse treffen.
Doch der Korridor für eine belastbare Einschätzung ist durch das Fehlen typisch ergänzender Merkmale unserer äusseren Fassade eingeschränkt.
Für alle, die gerne zügig zum Schluss kommen wollen oder gerade nicht so lange lesen möchten:
Hier ist eine FASTLANE nach unten.
Die Sozialwissenschaft unterscheidet im Kern drei Modelle, wie eine Gesellschaft die Transformation zu einer veränderten Zusammensetzung der Population innerhalb der [geografischen] Grenzen eines Landes und dessen regulatorischen [2] [3] [4] Bedingungen gestaltet.
Die Exklusion [2] setzt unüberwindbare Grenzen. Sie definiert eine soziale Gruppe, welche sich zum Beispiel über ihre Ethnie oder andere ausgrenzende Aspekte isolatorisch positioniert.
Oder bzw. ergänzend definieren sie ihre Identität [2] [3] über die Zugehörigkeit zu der herausragenden Position eines Volkes, eines Standes, einer bestimmten Tradition, vielleicht auch Religion.
Immer spielt soziale Ausgrenzung die zentrale Rolle für eine exklusive Selbstwahrnehmung sowie die Definition besonderer Bedeutungen eigener Werte.
Die Separation könnten wir als Variante der Exklusion bezeichnen, darauf abzielend, die Grenzen zu einer meist negativ definierten Gruppe von Menschen aufrechtzuerhalten, jedoch Nutzen aus deren Existenz zu ziehen.
Denken wir zum Beispiel an die scheinbar weichen Grenzen geografischer Nähe in unserer Gegenwart der Städte und Regionen bzw. die kaum überwindbare Trennung, welche durch unterschiedliche Milieus zum Ausdruck kommt.
Eine überwiegend akzeptierte Realität, mit der wir leben und kaum Fragen stellen.
Aber: Denken wir auch an die über einen Bezahlvorgang flott ausgeführte und gefühlt akzeptable Ausbeutung von Menschen unter lagerähnlichen Arbeitsbedingungen in der Ferne.
Denken wir an die materielle Erreichbarkeit der Dinge [2] [3] über inflationäre Vertriebskanäle bzw. die damit verbundene digitale Distanz?
Die Differenzierung zwischen Separation und Integration [2] [3] [4] ist nicht so leicht. Je nach Position und Blickwinkel lassen sich diffundierende Argumente für beide Realitäten und die dafür verwendeten Begriffe finden.
In Pflegeheimen, als Ort für bedürftige Menschen aufgrund der Gesundheit oder des Alters, wird in Deutschland in der Regel nicht nach der Nationalität differenziert. Ohne diese Attribute [2] sieht die Welt der Betroffenen oft anders aus.
Integration bedeutet im Kern die Öffnung gesellschaftlicher Räume (zum Beispiel von Schulen) für Menschen, die aus individuellen Gründen ihre Heimat verlassen haben bzw. mussten und ihre Existenz in einem für sie fremden Land neu aufbauen.
Die komplexen Debatten darüber, welche Ansprüche (Stichwort: Leitkultur) hier an jene gestellt werden dürfen, die ihr Leben in der Fremde neu beginnen, sind bekannt und ein gefundenes Fressen für populistische Agitateure mit dem Ziel der gesteuerten Manipulation [2] [3].
Ein wesentliches und fragiles Merkmal der Integration ist trotzdem die Frage, wie sehr der dominante Teil einer Gesellschaft (nicht zwingend die Mehrheit), welcher die kulturellen und regelgebenden Bedingungen für die Teilnahme und Teilhabe fremder Menschen definiert und damit die Deutungshoheit in Anspruch nimmt, eine Gleichrangigkeit im Sinne gleicher Behandlung aller Menschen hier wieder hierarchisch unterhöhlt.
Es gibt dann eben doch Unterschiede und die Neuen müssen sich ein bestimmtes Prädikat erst erwerben.
Ja, es ist kompliziert und die Unterschiede verschwimmen in sozialen Gestrüpp des Alltags.
Die Inklusion wiederum meint, als Komplementär zur Exklusion, die gleichrangige Teilnahme aller Menschen [mindestens] in gesellschaftlichen Subsystemen mit dem Ziel, hierarchische Unterschiede über gleiche Rechte (Stichwort: Menschenrechte [2] [3] bzw. der Maßgabe durch eine Verfassung, hier das deutsche Grundgesetz) festzuschreiben und damit auch einklagbar zu machen.
Das klingt unangenehm technokratisch, ist aber gesellschaftlich wichtig, da erst einklagbare Rechte die Grundlage für transformatatorische Veränderungen ermöglichen.
Niklas Luhman, 1927 – 1998, hat den Begriff der Inklusion von Talcott Parsons, 1902 – 1979, übernommen und einem Diktum vergleichbar wie folgt postuliert: Inklusion könne nur in Teilsystemen (er sprach von Subsystemen) bestehen, da sich eine Gesellschaft in funktional unterschiedliche Systeme aufteile, die nie für alle gleichrangig offen wären. Ergo könne es nie für alle Menschen in allen Systemen die gleichen Rechte geben.
Wenn man diesen Gedanken weiterdenkt, dann verändert er auch das Konzept der Demokratie zu einem gesellschaftlichen Format mit unterschiedlich ausgeprägten Versionen. Demokratie wäre demnach nie kongruent, also immer und für alle gleich, sondern es gibt eben mal mehr und mal weniger davon. Schon seltsam.
Dass es beim Militär weniger Demokratie gibt (vielleicht geben muss), ist allgemein akzeptiert. Aber auch in Unternehmen ist Demokratie (im Sinne des Wortes) meist weniger die Realität als in offeneren Institutionen, denken wir zum Beispiel an einen Sportverein.
Die romantische Version der Inklusion ist ein Menschenbild, welches auf Freiwilligkeit basiert. Es geht davon aus, alle Menschen hätten gleiche Rechte und damit auch das Recht auf gleiche Behandlung. Egal an welchem Ort, egal in welcher Situation, egal wie die Machtverhältnisse eines Landes gerade aussehen. Das aber ist das Problem.
Ludwig Wittgenstein, 1889 – 1951, vertrat die These, Probleme der Philosophie – und ich übertrage das auf den Ansatz dieses Textes: Probleme in einer Gesellschaft, die permanent ihre moralischen Regeln verhandelt – wären immer auch Probleme der Sprache selbst.
Sprache wäre auf der einen Seite ein linguistischer Raum der Interpretation, auf der anderen Seite ein Mittel zur Ausübung von Macht [2] [3] [4] bzw. zur Manipulation (etwas provokativ ausgedrückt).
Diese gedankliche Problematik steckt auch in einem seiner bekanntesten Zitate:
Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenze meiner Welt.
Ludwig Wittgenstein
John Dewey, 1859 – 1952, war ein amerikanischer Philosoph, wurde allgemein jedoch eher als Pädagoge bekannt (was sich ja nicht ausschliessen sollte).
Er starb ein knappes Jahr nach Wittgenstein und wurde deutlich älter als dieser.
Die amerikanische Demokratie gilt als die älteste in der sogenannten Neuzeit. Dessen Verfassung wurde im Jahr 1787 vorgelegt und galt seither als Vorbild für viele Länder auf deren Weg zu einer neuen Gesellschaftsordnung.
John Dewey war überzeugter Demokrat. Man muss dies im Kontext seiner Zeit verstehen. Einem Land in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, das noch weit entfernt war von dem heutigen Wohlstand in den USA (welcher aktuell wieder in Gefahr zu sein scheint). Einem Land, das von Vertreibung der Ureinwohner, von Rassismus und von daraus folgenden Unruhen gekennzeichnet war.
Allerdings auch ein Land, das die ersten Blüten eines Reichtums [2] sichtbar werden liess, was vor allem im darauf folgenden Jahrhundert seine Wirkmacht entfalten sollte.
Der erste Zusatzartikel der US-amerikanischen Verfassung garantiert das allgemeine Recht auf die eigene Meinung.
1776 schliesslich wurde von Thomas Jefferson, 1743 – 1826, die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten erklärt (eine Proklamation der damaligen dreizehn britischen Kolonien, die sich damit von dem Vereinigten Königreich lossagten).
Das ist an dieser Stelle nicht so wichtig. Wichtig in dem Zusammenhang ist eine Passage der sogenannten Abhandlungen über die Regierung [2] von John Locke, 1632 – 1704.
Thomas Jefferson zitierte daraus: dass jeder Mensch das Recht auf Leben, Freiheit und darauf, sein Glück zu erreichen, genieße.
Nur kurz und als einprägsame Wiederholung. Wir sprechen vom 16. Jahrhundert, wir sprechen vom sogenannten Dreißigjährigen Krieg im damaligen Europa, wir sprechen von einer Zeit, noch 100 Jahre vor der Französischen Revolution.
John Locke spricht zu der Zeit davon, jeder Mensch hätte ein Recht auf Glück. Verrückt.
Verrückt, wenn wir die aktuellen globalpolitischen Entwicklungen betrachten.
Zurück zu John Dewey.
John Dewey bezeichnete die Demokratie, jenseits des Formats einer Regierungsform, als diejenige Form des Zusammenlebens der Menschen, die ihre jeweiligen Kräfte am besten zum Tragen bringt.
Dewey war Pädagoge. Demokratie war in seinem Verständnis ein Mittel zur permanenten sozialen Transformation, die ganz unten und bei den Jüngsten zu beginnen habe.
Eine Schule, welche fremdgesteuert und nur abstrakt Wissen vermittelt, war demnach in seinen Augen undemokratisch.
John Dewey war der Überzeugung, dass ein freier Mensch, frei von Angst und Sorge, dass ein glücklicher Mensch einen innewohnenden Willen zum Lernen, zur eigenen Entwicklung hätte und dieser Wille (zur Gestaltung des eigenen Lebens und damit dem konkreten Tun) nur gefördert werden müsse.
Dass diese Gedanken im Kontext der wirtschaftlichen Systeme (der damaligen frühen Form des Kapitalismus) stehen, ist nachvollziehbar, soll uns hier jedoch mit Blick auf den Schlussteil dieses Textes nicht weiter beschäftigen.
Ludwig Wittgenstein sagte: Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache.
Damit verband er die schwache Hoffnung, Sprache könnte irgendwie in seinen Begriffen fixierbar sein und wäre damit weitgehend unanfechtbar. Kleiner Sidekick dazu:
Der Hermeneutik, als eine der ältesten Formen philosophischer Exegese und damit auch einem ihrer bekanntesten Vertreter, Hans-Georg Gadamer, 1900 – 2002, geht es um die Auslegung bzw. die Interpretation von Texten und damit der dort verwendeten Begriffe.
Immanuel Kant, 1724 – 1804, wurde dabei mit seinem Werk zu einem Problem, indem er der menschlichen Erkenntnis Grenzen setzte. Seine Ausführungen zum Vernunftbegriff (Kritik der reinen Vernunft) boten den menschlichen Sinnen und damit auch in gewisser Weise der Irrationalität eine Türe zur Bühne menschlicher Wahrnehmung.
Sein Satz Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind versucht trotzdem den Gedanken den Führersitz der menschlichen Kognition zu geben. Aber das Problem der Unregelbarkeit der Welt über die Sprache als Ausdruck des menschlichen Denkens war geboren.
Zurück zu Wittgenstein.
Mit dem von Wittgenstein mitverwendeten Begriff der Sprachspiele [2] verband er jedoch auch die (vielleicht für ihn wenig erfreuliche) Einsicht, Wörter und Begriffe würden durch ihren Gebrauch in Sprachspiele zerfallen. Je nachdem, wer spricht, verändert sich die Bedeutung unserer Wirklichkeit, welche im gesellschaftlichen Zusammenspiel weitgehend durch Sprache erfahren werden kann.
In einem weiteren Zitat von ihm: Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unseres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache schwingt etwas ohnmächtige Resignation mit, ganz als wollte er sagen, wir müssen versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Aber das Schlimmste kann immer passieren.
Anfang März 2025 hat die neue amerikanische Regierung unter Donald Trump eine Liste von Wörtern herausgegeben, die aus offiziellen Mitteilungen in den USA nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr verwendet werden dürfen.

Darunter finden sich Begriffe wie climate crisis, inclusion, female, identity, injustice, sexuality, systemic oder women. Lassen wir das mal so stehen und wirken.
Es gibt ein eindringliches Zitat von Marie von Ebner-Eschenbach, 1830 – 1916, österreichische Schriftstellerin:
Der Gescheitere gibt nach! Eine traurige Wahrheit, sie begründet die Weltherrschaft der Dummheit.
Marie von Ebner-Eschenbach
Das Problem scheint zu sein, dass die Vernunft eine Art Auslaufmodell der Kommunikation zu werden droht. Das Prinzip der Argumentation und einer konstruktiven Debatte wirkt vor dem Hintergrund aktueller Realitäten [2] nahezu antiquiert.
Der Prozess der Veränderung scheint so skurril wie einfach: Bei einem Ballspiel ist es üblich, dass ein Ball auf dem Spielfeld ist. Dieser eine Ball ist das Objekt zweier konkurrierender Teams. Der eine Ball hat dabei ein Ziel: das richtige (das Spiel ist schliesslich ein Wettbewerb) und damit ein Tor zu treffen.
Wir könnten auch von einer Lösung sprechen (das bessere Team – hier als Metapher für die bessere Argumentation – gewinnt).
Wenn sich jedoch eines der beiden Teams dazu entscheidet, zwei Bälle und im Weiteren immer mehr Bälle auf das Spielfeld zu werfen, dann funktioniert das Spiel nicht mehr. Warum?
Die gelernten Spielregeln können in so einer Situation nicht mehr angewendet werden. Sowohl die Menge als auch die Dynamik der immer grösseren Anzahl von Bällen auf dem Spielfeld überfordern die Spieler des Teams, das nach den alten Regeln spielt. Die Situation kollabiert. Das Team, das nur mit einem Ball spielen kann, zieht sich in ohnmächtiger Resignation zurück.
So oder so ähnlich funktionieren aktuell die globalen Muster populistischer, wir sollten besser sagen, aggressiver Rhetorik. Warum?
Kommunikation ist ein bidirektionaler Prozess. Auch wenn Menschen in einer hitzigen Debatte durcheinander sprechen, so gibt es in der Regel ein zentrales Thema, über das gestritten wird.
Wenn in die gleiche Debatte jedoch permanent neue Themen, neue Positionen, neue Provokationen geworfen werden, wird die Auseinandersetzung ausgehöhlt, sie verliert Raum und Basis.
Am Ende verlassen jene diesen Ort der Konfrontation, da sie keine Mittel mehr haben, sich mit den gelernten Mitteln der Kommunikation zu wehren.
Marie von Ebner-Eschenbach kontert den Satz: Der Gescheitere gibt nach! ziemlich direkt und fordert auf, das Spiel zu ändern, wenn ein Team die Regeln bricht.
Die Überschrift spielt mit dem Wortpaar dumb (Dummheit) und dump (ich meine im Kontext diese Textes eher eine wilde Müllkippe).
Das Problem ist, der Begriff Dummheit wird nahezu ausschliesslich aus der Perspektive der Vernunft beschrieben.
So spricht das Team, das gelernt hat, mit einem Ball zu spielen.
Die öffentliche Bildung von Meinungen verändert sich in den vergangenen Jahren dramatisch. Die klassischen Vertreter des Journalismus lassen sich in eine hysterische Ecke drängen und versuchen verzweifelt, die Hoheit über die öffentliche Aufmerksamkeit zu behalten.
Manches wirkt dabei eher wie eine kommunikative und mediale Hetzjagd als ein kultivierter Austausch zu einem Thema.
Die Politik wiederum versinkt zusehends unter der Komplexität der Themen und ihrer wechselhaften Dynamik in einer lethargischen Latenz.
Die Strukturen [2] [3] [4] und Regelwerke der parlamentarischen Abläufe kann mit den Notwendigkeiten nach mutigen, also risikobereiten Entscheidungen kaum noch mithalten und verheddert sich zunehmend in konjunktiven Ankündigungen.
Robert Musil, 1880 – 1942, entlarvt den scheinbar Klugen, welcher sich über die vermeintlich dumme Person stellt, als den eigentlichen Dummen, indem er diese hierarchische Überhöhung als Anmaßung brandmarkt.
Helmut Schmidt, 1918 – 2015, deutscher Politiker der SPD und der fünfte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, sagte dazu einmal zwar etwas schrill, doch sehr treffend:
Das ist die wahre Schande:
Helmut Schmdt
Die Dummen sind so sicher
und die Klugen sind so voller Zweifel.
Das Diktum Ignorantia legis non excusat (lat. für Unwissenheit schützt vor Strafe nicht) findet im öffentlichen Raum immer noch Anwendung, in den digitalen Unterwelten jedoch verwässert dieser Ansatz zu einer Position aus dem vergangenen Jahrhundert und denen davor.
Die Komplexität der Themen sowie die Anonymität [2] multipler digitaler Bühnen führen leicht zu groupthink, also Gruppendenken.
Die Unterstützung einer Meinung in der Gruppe und damit die Verteilung der manipulatorischen Sporen auf dem globalen Untergrund vieler Unbekannter, die scheinbar als Freunde wahrgenommen werden, ist oft nicht jene (Meinung), die man alleine in einem direkten Gespräch vertreten würde.
In der Medizin gibt es (viel weiter oben sprach ich von Diffusion) den Begriff der Dissemination. Damit ist die Ausbreitung eines Erregers im menschlichen Körper gemeint, welcher von dem Körper selbst nicht mehr aus eigenen Kräften befreit und damit geheilt werden kann.
Im Kontext dieses Textes wären dies die gelernten Kräfte und damit die Regeln zu einer Lösung.
Der Körper (das System [2]) kollabiert am Ende.
Der Forscher und Biologe Erik Frank kam eher über einen lebenstypischen Zufall in die Situation, Ameisen und deren Verhalten zu beobachten.
Eines seiner Forschungsbeispiele: Die Ameisenart Camponotus floridanus (rotbraune Holzameise aus dem Südosten der USA) ist in der Lage, verletzte Ameisen ihrer Gattung zu operieren. Dabei haben sie die erstaunliche Fähigkeit, den potenziellen Erfolg eines operativen Eingriffs an dem verletzten Körper ziemlich exakt einschätzen zu können.
Eine Amputation eines Oberschenkels führt relativ sicher zum Überleben der verletzten Ameise, da die dortigen Muskeln das Blut relativ langsam fliessen lassen. Damit wird der Eintritt krankheitsfördernder Bakterien weitgehend unwahrscheinlich.
Eine Amputation am Unterschenkel bringt weniger, da dort das Blut schneller fliesst. Die behandelnde Ameise entscheidet sich für das Lecken der Wunde, was die Gesundung der Ameise weitgehend sicher macht (Stichwort: Dissemination).
In der Wochenzeitung ZEIT, vom 12. Dezember 2024 findet sich in der Sektion WISSEN ein Artikel zu Erik Frank bzw. seiner Arbeit und darunter Folgendes: Der Homo Sapiens existiert seit rund 300.000 Jahren. Ameisen dagegen, seitdem es Blütenpflanzen gibt, also seit rund 100 Millionen Jahren. …
Rein evolutionsbiologisch betrachtet, sind soziale Insekten wie Ameisen oder Bienen sogar die nächste Stufe auf der Leiter der Komplexität – eine über den Menschen.
Ganz unten stehen einzelne Zellen, darüber Organismen aus vielen Zellen. Auf dieser Stufe befindet sich der Mensch, zusammen mit Gurken, Gräsern ….
Die nächste Stufe sind Organismen aus vielen Zellen, die mit einem gemeinsamen Ziel zusammenarbeiten, Bienen etwa oder Ameisen. Ihre Staaten heißen in der Biologie Superorganismen.
Einschub: Mit dem Mut zu einem eher aus weiterer Entfernung geholten Kontextes kann man auch den Text Supraactivity hier auf meinem Textportal lesen.
Sehr weit oben findet sich das Zitat von Arthur Schopenhauer: Jeder dumme Junge kann einen Käfer zertreten. Aber alle Professoren der Welt können keinen herstellen.
Jason Stanley, * 1969, hat im Jahr 2018 ein Buch mit dem Titel How Fascism Works veröffentlicht.
Darin spekuliert er über eine beobachtbare Entwicklung in den USA hin zum Faschismus.
Zugegeben, dies klingt und wirkt auf den ersten Blick äusserst dystopisch und man vermutet eher einen Hang zur Verschwörung.
Jason Stanley ging es zu der Zeit, als das Buch auf den Markt kam, um Tendenzen, um erste Zeichen und Veränderungen.
In seinem Buch beschreibt er fünf Gradmesser als Warnzeichen für einen aufkeimenden Faschismus wie folgt:
Die Berufung auf eine mythische und glorreiche Vergangenheit, ein hierarchisches Weltbild, das auf die Dominanz einer als überlegen konstruierten Gruppe abzielt, die Forderung nach Kriminalisierung von Abweichung, eine sexuelle Paranoia, die andere als pervers oder bedrohlich stilisiert, oder der Einsatz von Propaganda-Rhetoriken.
Kommen wir zum Schluss bzw. zu einer gewissen Auflösung, was mich zu diesem Text bewegt hat:
Natürlich ist der Titel dieses Textes bzw. das Sprachspiel DUM[B]P in Anlehnung an den aktuellen Präsidenten der Vereinigten Staaten [2] Donald Trump ziemlich banal und allzu leicht verständlich.
Doch die Warnzeichen sich verändernder Gesellschaften sind global und lokal sowohl sicht- als auch spürbar.
Gleichzeitig sollten wir vorsichtig sein, hier nur mit dem Blick weg von uns das Dumme bei anderen zu suchen und zu sehen. Wir sollten vorsichtig sein, die Themen, die eine Lösung brauchen, dort abzuladen, wo scheinbar schlichte Lösungen verlockend klingen.
Auf der anderen Seite sind wir gefordert, Mut zu haben, dort aufzustehen, wo Werte verletzt werden und Menschen, die eine Gemeinschaft verlassen, da sie nur ihren eigenen Vorteil suchen und jedes Mitgefühl vermissen lassen, mit ihrem isolationistischen und dissozialen Verhalten zu konfrontieren.
Und vielleicht sollten wir uns an das 11. Gebot von Marian Turski erinnern.
Dies war für mich der zentrale Grund, diesen Text zu schreiben.
Du sollst nicht gleichgültig sein.
Wer doch lieber auf Papier lesen möchte, findet hier das PDF.
© Carl Frech, 2025
Die Nutzung dieses Textes ist wie folgt möglich:
01 Bei Textauszügen in Ausschnitten, zum Beispiel als Zitate (unter einem Zitat verstehe ich einen Satz oder ein, maximal zwei Abschnitte), bitte immer als Quelle meinen Namen nennen. Dafür ist keine Anfrage bei mir notwendig.
02 Wenn ein Text komplett und ohne jede Form einer kommerziellen Nutzung verwendet wird, bitte immer bei mir per Mail anfragen. In der Regel antworte ich innerhalb von maximal 48 Stunden.
03 Wenn ein Text in Ausschnitten oder komplett für eine kommerzielle Nutzung verwendet werden soll, bitte in jedem Fall mit mir Kontakt (per Mail) aufnehmen. Ob in diesem Fall ein Honorar bezahlt werden muss, kann dann besprochen und geklärt werden.
Ich setze in jedem Fall auf Eure / Ihre Aufrichtigkeit.