Man könnte ja sagen, Innovation bedeutet einfach, ein Problem zu lösen. Manchmal entstehen Probleme aber erst durch die Lösung. Manchmal nicht.
Betrachten wir ein einfaches Problem. Es regnet und wir wollen nicht nass werden. Bis vor ca. 13.000 Jahren war dies vor allem ein Problem der situativen Machbarkeit, der Kenntnis des Gebietes in welcher die damaligen Menschen als Nomaden unterwegs waren und der Fertigkeit, die materiellen Potenziale des Ortes so zügig zu nutzen, um einen entsprechenden Schutz vor dem Wetter zu haben.
Dieser Schutz wurde auch nötig, weil der Homo erectus (lat.: der aufgerichtete Mensch), auch Frühmensch genannt, in den ca. 1,8 Millionen Jahren seine natürliche Behaarung verloren hatte. Aber warum? Die Regenwälder Afrikas haben sich damals durch klimatische Veränderungen über einen langen Zeitraum zurückgezogen, es entstanden steppenartige Savannen. Der Schutz der Wälder ging dabei langsam verloren und der Homo erectus war zur Anpassung an diese neue Realität gezwungen. Die neue Umgebung hatte grosse Nachteile, aber auch bedeutende Vorteile. Die Übersicht und damit auch die Weitsicht war besser, warum das Aufrichten auf die volle Körpergrösse ein evolutionär wichtiger Erfolgsfaktor wurde. Mit einem klaren Ziel: die Jagd auf Tiere als relevante Nahrungsquelle.
Man kann sich leicht vorstellen, dieser Frühmensch sichtet die Umgebung und hält dabei in alle Richtungen Ausschau. Die Fokussierung auf die Tötung eines Tieres erfordert eine [neue] andere kognitive und sensomotorische Konzentration als das gebeugte, mit dem Blick nach unten gerichtete Suchen nach Wurzeln, Beeren und allem Weiteren, was man sammeln und essen konnte.
Der Unterschied bestand in der aktiven bzw. aggressiven Intention. In der Steppe aus sicherer Distanz auf den besten Zeitpunkt für einen Angriff zu lauern, war zwar im Bauplan dieser Spezies (als Tier) verankert, aber die Methode und Technik der Tötung hatte sich verändert.
Man kann davon ausgehen, die soziale Struktur der Horde war ein wichtiger Erfolgsfaktor. Damit verbunden entwickelten sich erste, wenn auch primitive Waffen, welche die körperlichen Fähigkeiten in der Kombination des Zusammenwirkens in der Gruppe optimierten.
Die bewusste, die vorbereitete Absicht der Tötung war [spekulativ] für die evolutionäre Entwicklung des Homo erectus und damit die neuronale Entwicklung des menschlichen Gehirns bedeutend. Der Zugang zu neuen Nahrungsquellen in Verbindung neuer Methoden schuf eine neue Lebensrealität und damit ein neues Normativ.
Wir sprachen über den langsamen Verlust der Behaarung. Es gibt Hypothesen, dass der Wärmeausgleich in dieser von der Sonne schutzlosen Umgebung nicht mehr ideal war. Damit hätte sich eine gewisse Reduktion des Fells erklären lassen, aber nicht der komplette Verlust der Behaarung über die Jahrhunderttausende. Nicht zuletzt bieten Haare ja einen wertvollen Beitrag für den klimatischen Wärmeausgleich des Körpers.
Erdgeschichtlich weiss man, es war keine spontane Idee dieser Frühmenschen, den Schutz der Wälder zu verlassen bzw. die Entwicklung der Savannen als neues Habitat zu akzeptieren.
Das Nahrungsangebot, welches bis dahin vor allem durch das Sammeln in eher feuchten Gebieten relativ leicht möglich war, reduzierte sich über die Zeit. Der Zugang zu Wasserstellen wurde nur noch durch immer weitere Distanzen möglich und diese mussten überwunden werden. Der Frühmensch war daher gezwungen, sich mehr zu bewegen und jede Exponierung bedeutete ein Risiko. Ein dichtes Fell wäre bei der damit verbundenen körperlichen Ausdauer in der Hitze auf Dauer hinderlich geworden. Die Reduktion der Behaarung, verbunden mit der Vermehrung von Schweissdrüsen, war eine logische Konsequenz für die Klimaanpassung des Körpers an die neuen Bedingungen.
Das ist einer der Gründe für die Reduktion menschlicher Behaarung. In der Wissenschaft wird auch darüber spekuliert, dass der geringere Befall mit Parasiten im Zusammenhang mit der Reduktion der Körperbehaarung eine Rolle spielte. Flöhe, Läuse und andere Ektoparasiten können sich in einer dichten Behaarung wesentlich besser festhalten als auf glatter Haut bzw. einer Körperoberfläche mit weniger Haaren. Da die damaligen frühen Menschen sich zunehmend in grösseren Sippen, also ersten sozialen Verbänden bewegten und in der Folge Orte, wenn diese Vorteile für das gemeinsame Überleben boten, immer wieder aufsuchten, war eine Verminderung der Körperbehaarung sinnvoll. Aber warum?
Parasiten vermehren und halten sich leichter im engen Verbund ihrer Wirte (den damaligen frühen Menschen), vor allem wenn diese auf kleinem Raum zusammen leben. Ausserdem verkürzte sich der zeitliche Aufwand für die gegenseitige Befreiung dieser Parasiten (Lausen), wenn die Körperbehaarung geringer war. Die damit gewonnene Zeit war für andere Aktivitäten nützlich.
Wir sprachen schon über eine gewisse Ortstreue, wenn auch noch lang nicht in der Konsequenz von Sesshaftigkeit. Damit verbunden war auch die Nutzung von Feuer. Die Fertigkeit zum Erzeugen von Feuer wurde erst sehr viel später erlernt, besser: erfunden, doch Feuer war Teil der damaligen Realität des Homo erectus und seiner Nachfahren. Feuer entstand als Blitzeinschlag, aber auch durch natürliche Entzündung als Folge von Hitze in der Trockenheit der Steppe und konnte, wenn man in der Lage war, die damit verbundene Angst oder Vorsicht zu überwinden, konserviert werden.
Es entwickelten sich Fertigkeiten, natürlich entstandenes Feuer in Feuerstellen einzugrenzen und am brennen zu halten. Das damit verbundene Potenzial führte auch dazu, dass der Homo erectus sich in der Sippe immer wieder für längere Zeiträume an einem Ort aufhielt. Denn es war möglich, das Feuer zu bändigen, aber man konnte es nicht transportieren.
Die Entdeckung der Potenziale von Feuer führte zu intergenerativen Prägungen und Lernmustern [2], die in der Folge komplexere Lösungen ermöglichte. Feuer war Wärmequelle, war Schutz in der Nacht, hielt Räume (Höhlen) trocken, wenn man die Prinzipien von Luftströmung und damit der Abluft des Rauches erkannte; vor allem aber wurden jene Vorteile erkannt, wie das Fleisch der gejagten und getöteten Tiere besser essbar, vor allem besser verdaubar war.
Es entstanden primitive Koch- vor allem Bratvorgänge, welche das Kochgut so optimierte, dass über die Einwirkung von Hitze krankheitserregende Bakterien und Viren vernichtet wurden, was wiederum ein bedeutender Vorteil für den Selbsterhalt der Sippe war.
Allerdings war dies eine überaus langsame Entwicklung. Über den vermutlich längeren Zeitraum war es durchaus normal, das rohe Fleisch möglichst frisch zu essen. Dieser Kauvorgang [2] war ein extrem aufwendiger Prozess, da der Kaumuskel die Zerkleinerung zu leisten hatte. Das erklärt auch, warum bis heute die Muskeln unseres Kiefers die am stärksten ausgebildeten und kraftvollsten unseres gesamten Körpers sind.
Wir sprachen über die Behaarung und stellten die Frage, warum diese über den Zeitraum der vergangenen ca. 1,8 Millionen Jahre nahezu komplett verschwand. Aber eben nicht ganz. In der Regel verfügt der Mensch bis heute über eine Behaarung am Kopf, es gibt Haare in den Achseln, im Gesicht (Augenbrauen und Wimpern), es gibt, wenn auch nur mehr oder weniger sichtbar, Haare am ganzen Körper. Und es gibt Schamhaare. Diese haben eine wichtige Trägerfunktion von Pheromonen.
Ein Pheromon [2] ist [generell] ein olfaktorischer Botenstoff [2]. Er dient innerhalb einer Spezies [2] zur Übertragung unterschiedlicher Informationen, die sensorisch interpretiert werden und zu instinktiven Handlungen führen. Ein einfaches Beispiel dafür erleben wir in unserer Gegenwart jeden Tag: Wenn wir einen fremden Raum betreten, riechen wir automatisch, wir atmen ein und verwerten diesen ersten Eindruck subjektiv (und damit auch in unserem sozialen Verhalten).
Ein Pheromon kann daher auch als Informant zur Abgrenzung dienen, zum Beispiel dann, wenn – wir sprechen nun wieder über den Homo erectus – dieser eine mögliche Krankheit innerhalb der gleichen Spezies sensorisch vermittelt und es daher besser ist, Distanz zu halten. Wobei das Thema Distanz auch aktuell und mit der globalen Erfahrung seit dem Jahr 2020 wieder eine hervorgehobene Bedeutung erhalten hat.
Nun, auch Sexualduftstoffe sind Pheromone. Sie transportieren ihre [olfaktorische] Information unbewusst, aber wirksam. Es ist leicht vorstellbar, dass diese über eine Verteilung in Haaren eine höhere [Duft] Wirksamkeit haben, als wenn diese Haare fehlen würden. Erdgeschichtlich war es vermutlich bedeutsam, dass die Sexualduftstoffe von intensiven Umfeldgerüchen unterschieden und identifiziert werden konnten und dadurch [passende] Sexualpartner zueinanderfanden.
Wir sprechen immer noch über die Veränderung der Behaarung in der Evolution des Menschen und ihre Relevanz zu der Frage, warum wir Schutz für unseren Körper brauchen. Augenbrauen dienen dem Schutz der Augen vor Schweiss. Die Wimpern der Augen sind ein zusätzlicher Schutz, um das Eindringen ungünstiger Partikel auf dem empfindlichen Augapfel zu mindern.
Die Kopfbehaarung schliesslich ist ein natürlicher Schutz vor der Hitzeentwicklung der Sonne auf unser Gehirn. Gleichzeitig untersützen Kopfhaare die unnötige Entweichung der Körperwärme bei niedrigen Temperaturen. Warum ist das wichtig?
Das menschliche Gehirn hat zwar nur ein Gewicht, das ca. zwei Prozent unseres Körpergewichtes entspricht, es verbraucht aber mindestens 20 Prozent unserer gesamten Körperenergie (im Prinzip durch den Bedarf unseres Bewusstseins und damit der kognitiven Verarbeitung aller Situation unseres Lebens, das Gehirn ist immer aktiv).
Wenn wir über den Wärmeausgleich sprechen, kann man sagen, der menschliche Körper folgt dem Prinzip eines Ofenrohrs, dessen Energie nach oben entweicht. Da ist der Schutz durch Haare günstig. Damit erklären sich Kopfbedeckungen wie auch generell die Entwicklung schützender Hüllen für den zunehmend nackten Körper im Laufe der Evolution.
Manche, die unter der Überschrift Innovation_2 bis hierhin lesend gefolgt sind, werden nun fragen, was all das mit dem zu Beginn genannten Problems zu tun hat: Es regnet und wir wollen nicht nass werden. Die indirekte Frage ist: Was tun wir, um nicht nass zu werden?
Es ist mir klar, die hier im Vorfeld genannten Aspekte rund um das Thema der evolutionären Entwicklung des Homo erectus und all der Nachfahren bis heute sind relativ trivial, für manche vielleicht zu weit hergeholt und Teil dessen, was man generisch als Bildung bezeichnen würde. Aber darum geht es hier nicht.
Es geht um die Frage, welchen Ursprung wir im Blick haben, wenn es um die Lösung eines Problems geht. Unsere Existenz definiert sich im Kern durch das, was wir in jedem Augenblick wahrnehmen und wie wir unser Leben dadurch permanent gestalten, es entwickeln und unser sozial relevantes Umfeld sichern. Immer verbunden mit einem Motiv, das unsere Interessen unterstützt. Letztlich definiert unser Motiv auch unsere Motivation, etwas zu tun, etwas zu ändern, wie es auch die Grundlage bietet, die Veränderung zu erklären oder zu verteidigen.
Die Wahrnehmung unserer Gegenwart in Relation zu jener spekulativen Realität vor den zu Beginn genannten 13.000 Jahren oder den Jahrhundertausenden davor ist bedeutsam, weil wir mit diesem Verständnis in der Lage sind, die tief im Untergeschoss unserer Existenz verborgenen Bedürfnisse zu verstehen und damit vielleicht besser zu deuten.
Wir können uns in unserer Fantasie einen Zustand ausserhalb unseres Körpers vorstellen, diesen gegebenenfalls mythologisch aufladen oder religiös verklären. Im Prinzip erleben wir dies jede Nacht, wenn unser Unterbewusstsein die Führung übernimmt und wir uns in Welten jenseits der Physik wiederfinden. Wir können jedoch innerhalb der biologischen Begrenzungen unseres Lebens unseren Körper nicht tatsächlich verlassen (zumindest nicht mit den aktuell vorstellbaren Bedingungen).
Unser Sein ist zwingend mit der Hülle unseres Körpers verbunden und jedes Ding der äusseren Welt externalisiert eine mehr oder weniger sinnvolle Funktion für unser Leben. René Descartes, 1596 – 1650, spricht in dem Zusammenhang von res cogitans und res extensa. Aber so viel abstrakte Philosophie brauchen wir an dieser Stelle auch nicht wirklich.
Eine Hülle zum Schutz unseres Körpers ist eine erste Behausung, ein uns umgebender Schutzraum, der die Ordnung zwischen der eigenen Person (dem Ich) und der Welt ausserhalb unseres Körpers definiert. Mit Ordnung meine ich die Erkenntnis über die eigene Existenz als Subjekt in einen Bezug zur uns umgebenden Welt zu setzen, uns damit in Beziehung zur Welt und den anderen zu bringen.
Alle Dinge um uns herum erweitern in ihrer jeweiligen radialen Distanz unseren Körper funktional, ideel [1] und sozial. Und in unserer Interpretation immer auch kulturell als Ausdruck individueller Identität, auch wenn wir diesen Begriff erst seit wenigen Jahrzehnten so inflationär und damit bedeutsam nutzen.
Ein typischer Ort unserer Gegenwart erfüllt demnach die gleiche intentionale Logik für unsere Existenz wie ein Schutzraum, den eine Sippe vor 13.000 Jahren baute oder aufsuchte, um sich vor den Unwägbarkeiten des Wetters zu schützen. Warum ist das wichtig?
Alle Dinge, die Menschen erschaffen, entwickeln bzw. erfinden, stehen immer und zwingend in Relation zu unseren biologischen Basisanlagen und damit zu den Möglichkeiten unseres Körpers. Denn dieser Körper hat sich im Zusammenspiel aller evolutionären Bedingungen der uns umgebenden Welt entwickelt und definiert damit den Status quo aller Optionen und Potenziale, die damit möglich werden. Aber nicht mehr.
Im Kern geht es mir immer um die Frage, welcher zwingende Erfolg einer neuen Sache, einer Idee und damit einer Innovation (sofern sie diesen Namen verdient) tatsächlich innewohnt. Gibt es einen Nukleus, der einen Misserfolg mit grosser Wahrscheinlichkeit verhindern musste? Einfach darum, weil es (das Neue) perfekt zu einem menschlichen Attribut passte und damit passgenau war, ohne die Möglichkeit des Widerstandes bei jenen (Menschen), die damit in der jeweiligen Zeit erreicht werden sollten. In einem Leitsatz könnte man dazu formulieren:
Jede Neuerung bedeutet Veränderung zum Gewohnten und damit dem, was Menschen gelernt und akzeptiert haben.
Die Akzeptanz zur Veränderung bedeutet Lernen und damit die Bereitschaft, einen Aufwand zu leisten.
Der Aufwand muss für Menschen als geringer wahrgenommen werden, als das Ergebnis, das durch diese Leistung erbracht wird.
Das Ergebnis muss immer positiv sein (positives Delta).
Die kritische Leserin bzw. der kritische Leser wird hier allerdings zu Recht anmerken, dass es eine Vielzahl von Beispielen gibt, die diesen Leitsatz konterkarieren, die sehr einfach und eindringlich zeigen würden, wie viele Neuerungen zu einem negativen Delta geführt haben, sprich: Der Aufwand für die Veränderung war mitunter deutlich höher als der Vorteil, der durch die Veränderung erzielt wurde. Vor allem mit einer mittelfristigen Perspektive. Sehr häufig jedoch, wenn man eine langfristige Position einnimmt. Das ist das Problem.
Bleiben wir trotzdem noch einen Moment bei der abstrakten bzw. einer idealisierten Betrachtung zum Thema Innovation.
Man stelle sich zum Beispiel vor, auf diesem Planeten gäbe es eine andere Gravitation. Wäre sie stärker, hätte sich unser Körper, wenn er denn die gleiche Karriere genommen hätte, vollkommen anders entwickeln müssen. Unsere körperliche Gestalt müsste einen deutlich tieferen Schwerpunkt haben, die Gliedmaßen für unsere Bewegung müssten stärkeren Druck aushalten. Wir würden ziemlich sicher sehr anders aussehen.
Wäre wiederum die Gravitation schwächer, so hätte sich unser Körper vermutlich deutlich vertikaler ausgerichtet. Der Kraftaufwand für unsere Bewegung wäre geringer, die gesamte Logik unserer körperlichen Konstitution wäre anders und damit auch die mithilfe dieses Körpers geschaffener Welt. Mit geschaffener Welt meine ich immer eine der Natur – wenn auch nur geringfügig – abgewandte und damit auf die eigenen Vorteile konstruierte Welt.
Diese Aussage ist in der Realität unserer Gegenwart schwer zu verstehen, da wir uns weitgehend in konstruierten Welten aufhalten. Der Begriff der Ursprünglichkeit, sei es der Blick in die Natur oder die Frage nach tatsächlichen und damit existenziellen Bedürfnissen, ist uns weitgehend abhandengekommen. Was ist schon das Ausreichende? Was ist das richtige Maß?
Damit verbinde ich die provokative Aussage, dass wir in einer weitgehend externalisierten, abstrahierten und synthetisierten Realität leben, welche ein belastbares Urteil darüber, ob eine Innovation eine echte und langfristig relevante Verbesserung darstellt, mindestens erschwert, oft unmöglich macht.
Dieser Gedanke ist mir wichtig. Jede Innovation ist eingebettet in die Bedingungen, die sich seit Beginn der menschlichen Evolution bis in unsere Gegenwart entwickelt haben. Alles menschliche Sein und damit auch das Bewusstsein (das bewusste Sein) ist ein zwingendes Relikt dessen, was sich irgendwann als sinnvoll erwiesen hat. Auch wenn dieser Sinn nur für eine beschränkte Gruppe, eine beschränkte Zeit oder eine beschränkte Herausforderung galt.
Wenn wir nur die Natur und den Menschen als Teil derselben betrachten, dann kann man sicher sagen: Die Evolution hat keinen unidirektionalen Plan, sie wildert eine Vielzahl von Möglichkeiten aus und lässt diese Varianten [2] gegeneinander antreten. Wie im Wettbewerb unserer gegenwärtigen Realität (nehmen wir als Beispiel die Wirtschaft) entwickeln sich bestimmte Varianten dominant [2] [3] [4] oder eben nicht und sie verschwinden wieder.
Ob die Dominanz am Ende tatsächlich sinnvoll war, ist eine komplett andere Frage, die wir im Weiteren deutlicher betrachten werden.
Somit ist jede Innovation Teil der Zeit, man könnte auch sagen, jede Idee hat eine Halbwertzeit [2] [3] in der sie ihr Potenzial entwickeln kann, entwickeln muss. Oder eben nicht. Um dies mit einem weiteren archaischen Beispiel deutlich zu machen:
Der menschliche Schluckauf macht schon bald nach der Geburt für uns nur noch wenig Sinn, mehr noch, man hält diesen für überflüssig, fast ärgerlich. Für Säuglinge ist der Schluckauf allerdings sinnvoll, da er die Stimmritze beim Saugen an der Brust der Mutter schliesst und verhindert, dass die eingesaugte Milch in die Lunge gelangt. Schon Föten haben noch im Bauch ihrer Mutter Schluckauf, sie üben damit diese Funktion, die erst nach der Geburt ihre Funktion erhalten wird.
Dies wiederum ist ein Relikt aus urgeschichtlicher Zeit. Auch Amphibien bzw. Lungenatmer nutzen diese Funktion über ihre Kiemen. Sie spritzen das im Maul gesammelte Wasser über die Kiemen aus und verhindern so, dass es nicht in die Lungen gelangt. Das machen schon Kaulquappen in dieser Weise.
Übertragen wir dieses Beispiel auf eine produktive Idee (geschaffene Welt) des Menschen im 18. Jahrhundert und blicken für einen Moment auf die Erfindung der Dampfmaschine durch Thomas Newcomen. Auch wenn die Idee einer Dampfmaschine im Prinzip schon im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung zu finden ist (Heron von Alexandria beschrieb mit dem Heronsball das Konzept einer Maschine, die über die Kraft der Expansion durch Wasserdampf das Rückstossprinzip erläuterte), so wurde das Potenzial dieser Form der Kraftübertragung erst im Bergbau so genutzt, dass es die Effekte erbrachte, welche den Aufwand in einen positiven Ertrag (positives Delta) wandelte. Das Problem damals bestand darin, dass die Schächte der Bergwerke über das Eindringen von Grund- oder Tiefenwasser nicht weiter ausgebeutet werden konnten.
Die von Thomas Newcomen speziell für diesen Einsatz entwickelte [atmosphärische] Dampfmaschine konnte das Wasser weitgehend aus der Grube pumpen (Wasserhebung) und damit den Effizienzgrad der Grubennutzung durch Beschleunigung der Ausbeute (Ertrag) und der räumlichen Erweiterung des Ausbaus der Grube selbst steigern.
Mit der damaligen Perspektive konnte man diese Innovation grundsätzlich begrüssen. Führte sie doch neben der höheren Produktivität der Grube auch zu einer höheren Sicherheit für die dort tätigen Arbeiter.
Betrachten wir die darauf folgende Entwicklung über einen deutlich längeren Zeithorizont, sagen wir knapp 200 Jahre (also bis heute), dann hat diese Basistechnologie und die damit verbundenen Möglichkeiten der Nutzung (Ausbeutung) globaler Ressourcen zu komplexen Problemen geführt, welche möglicherweise irgendwann absehbar waren, jedoch nicht beachtet wurden. Schlicht aus dem Grund, weil das produktive, das ökonomische Potenzial [2] der Nutzung dieser Ressourcen kurzfristig realisiert werden sollte und weiter realisiert wird.
Ich habe im Vorfeld immer wieder die Frage gestellt, warum dieser weite Betrachtungshorizont wichtig sei. Er ist wichtig, da all diese Aspekte in einem inhärenten Zusammenhang stehen. Der Zusammenhang ist dabei so komplex wie im Prinzip einfach.
Es ist immer die menschliche Perspektive auf die Welt und das Potenzial, welches wir als zeitlich begrenzt lebende Bewohner dieses Planeten mitbringen. Letztlich geht es immer um die systemische Betrachtung struktureller, temporärer und prioritärer Aspekte, die in Verbindung einer Neuerung und damit Veränderung stehen.
Wenn wir also verstanden haben, wie Menschen gelernt haben Feuer zu machen, wie sie in der Lage waren und damit immer besser wurden, ihre Hände und ihren Geist auf dieses Ziel auszurichten, wie das Umfeld (die Natur) sie drängte, neue Umgebungen zu erkunden und nutzbar zu machen, wie sie sich dabei veränderten, über lange Zeit dies von Generation zu Generation weitergegeben haben, meistens ohne sich der langfristigen Konsequenz ihres Handelns bewusst zu sein, dann verstehen wir vielleicht mehr und besser den Kern jeder innovativen Logik. Es geht immer um den Kontext (Beziehungsebene), um die Kausalität (Entscheidungsebene) einer Entwicklung nachvollziehen zu können.
Auf einer sehr archaischen Ebene verstehen wir dann, welche Bedeutung Licht, Wärme, Schutz und die Macht über die Dinge generell für die Spezies Mensch bekam bzw. haben musste, um den darauf aufbauenden Erfolg in eigener Sache realisieren zu können.
Wir verstehen schliesslich, warum die Dinge unserer Gegenwart eine gewisse Selbstverständlichkeit haben (müssen), da sie sich über einen langen Zeitraum in unseren Akzeptanzraum geschlichen haben.
Mit einem einfachen Beispiel: Wenn wir durchdringend verstanden haben, wie frühe Menschen ganz natürlich ihre Hände einsetzten, um das weichere Material eines Werkstückes (z. B. Holz) mit einer Hand (üblicherweise mit der linken) als Ganzes zu halten, um es dann mit der anderen Hand, in der sie ein härteres Werkzeug (z. B. einen dafür geschlagenen Stein) mit einem bestimmten Griff halten und damit kleine Teile herausschnitzen, dann ist es nahezu zwingend logisch, warum bestimmte mobile digitale Geräte so erfolgreich werden mussten.
Für alle, die gerne weiterlesen: INNOVATION_4 [prospektion]
Vorangegangener Text: INNOVATION_2 [bedingungen]
Wer doch lieber auf Papier lesen möchte, findet hier das PDF.
© Carl Frech, 2021
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