Es scheint, die Welt hätte sich auf eine Methode geeinigt, wie Lernen am besten funktioniert. Was ist, wenn es gar nicht um eine Funktion geht?
Es ist natürlich beruhigend, wenn alles einen Ort hat und damit eine Ordnung. Gut, wenn man das eine von dem anderen unterscheiden kann.
Der Unterschied ist die Basis für Orientierung und damit auch für die eine Entscheidung, das eine zu tun und das andere nicht.
Mit dieser Abgrenzung beginnt vielleicht das Problem des isolierten Wissens und des Verlusts des Verständnisses, in Zusammenhängen und Ähnlichkeiten und damit in Mustern zu denken, daraus Schlüsse zu ziehen und schliesslich zu lernen.
Vielleicht wären die Ergebnisse einfacher und schneller erreichbar, wenn wir einen Zugang zu neuen Erkenntnissen und Wissen fördern würden, der sowohl die Potenziale der Kontexte und Assoziationen in einen Prozess integriert als auch akzeptiert, dass manchmal weniger Perfektion besser funktioniert.
Vielleicht erkennen wir dann, dass jede Methode unmittelbar mit der Person verbunden ist, die sich auf den Weg gemacht hat, etwas zu verstehen.
Damit kann eine Methode wie jedes Werkzeug natürlich ein Hilfsmittel sein und damit ein Mittel zur Hilfe.
Das Werkzeug ändert sich jedoch durch den Gebrauch und die Person.
Das Problem ist, dass die Unmittelbarkeit langsam verschwindet.
Das ist vielleicht die grösste Herausforderung, wenn wir über einen neuen Ansatz des Lernens nachdenken.
Wer mehr und umfassender zu diesem Thema lesen möchte, hier bitte:
Shortcuts zu einzelnen Unterthemen bzw. zentralen Stichworten in diesem Text:
Heterarchie ||| Joseph Schumpeter ||| Einzelkämpfer ||| Freude am Tun ||| Kooperation ||| Motive ||| Sanktion ||| Kohärenz ||| Normalverteilung ||| Positivismus
Es gibt so viele Versprechen, um etwas zu tun, etwas erreichen zu können. Man müsse nur einer bestimmten Anweisung folgen. Das Prinzip ist dabei meist uniform, sie fördert nur die Anwendung eines vordefinierten Rezeptes.
Das ist wie beim Kochen. Wir haben gelernt, wie eine Küche funktioniert. Wie Geräte in einer Küche und das Prinzip Hitze funktionieren und in welcher Reihenfolge man etwas in eine Pfanne oder einen Topf gibt, damit es durch den Prozess und die Dauer der Zubereitung so schmeckt, wie wir es erwarten. Trivial für jene, die kochen können.
Ein Rezept ist ein inkrementelles Vorhaben. Wenn ich ein Rezept anwende, dann ordne ich mich [freiwillig] diesem Prozess und damit einem bestimmten Ablauf unter.
Eine andere Methode, ein anderer Weg wäre, mit einer Freundin bzw. einem Menschen zu kochen, dem ich vertraue. Einer Person, von der ich schon öfter zum Essen eingeladen wurde und die Erfahrung machen durfte, wie lecker es schmeckt, wenn sie kocht.
Auch hier ist ein inkrementeller Prozess die Basis dessen, was ich in der Küche erreichen möchte. Allerdings mit einer wesentlichen Veränderung.
Die Person, der ich mich anvertraue und damit [freiwillig] unterordne, ist zwar zum einen Trägerin des Wissens, von dem ich für mein Vorhaben einer leckeren Mahlzeit profitieren möchte, ich habe jedoch die angenehme Möglichkeit, mit ihr zu sprechen, Fragen zu stellen und – wenn es eine echte Freundin ist, wird sie sich darüber freuen – auch bestimmte Dinge bei dem Rezept, dem ich im Prinzip gerne folge, zu verändern und damit zu variieren.
Heterarchie
In anderen Texten verweise ich bei ähnlichen Themen gerne auf den Begriff der Heterarchie. Ein Begriff, der vor allem von Marvin Minsky, 1927 – 2016, in die Welt kam. Er verband dies mit der Frage nach den Lernfähigkeiten von Systemen und brachte dies mit den Prinzipien unseres Gehirns [2] [3] in Verbindung.
Er spekulierte in seinen Schriften dabei gerne über die nicht geborgenen Möglichkeiten menschlicher Potenziale. Das nur kurz. Zurück zu unserem Kochbeispiel.
Wenn diese Freundin es richtig gut macht bzw. mich bei dem aufregenden Prozess des Kochens eines ambitionierten und für mich neuen Gerichtes auf eine gute Weise begleitet, dann fällt es mir kaum auf, wo und wie sie meine Ideen und Varianten-Vorschläge in den Prozess des Kochens integriert (mich gewähren lässt) und an welcher Stelle sie darauf achtet, dass das Gericht nicht seine Basisidee verliert, warum ich ja genau dieses als neue Kocherfahrung für mich ausgesucht habe.
Im besten Fall fällt es mir nicht auf, wie sehr ich von dieser Freundin begleitet und geleitet wurde.
Das Essen, das Gericht ist fertig, und mir bleibt das umfassende Gefühl, dass ich das geleistet habe, wir zusammen mein Werk genießen.
Erst in der Erinnerung wird mir klar, dass ich es nicht alleine war. Ich wäre alleine nicht in der Lage gewesen, ein so leckeres, vor allem ein so komplexes Rezept so zu realisieren und damit diese Genussqualität zu erreichen.
Ein einfaches Beispiel, eine schlichte Metapher, die davon berichten soll, welcher Grundgedanke diesem Text zugrunde liegt.
Legen wir diese Kochgeschichte nun an den Rand unserer Aufmerksamkeit. Dazu gibt es auch einen eigenen Text mit folgendem Subtitel in der Klammer: [geschichte/n].
In den vergangenen knapp 10 000 Jahren hat sich über die zunehmende Immobilität des Menschen, vor allem durch die [vielleicht nur zufällige] Entdeckung [2], wie man bestimmte Getreidesorten (Weizen) effizienter anbauen kann, ein komplexes Spektrum von Spezialkompetenzen und damit von Spezialisten entwickelt.
Vergleichbar mit hochverarbeiteten Lebensmitteln in unserer Gegenwart entwickelten sich soziale Strukturen, in denen die individuelle [Detail-] Kompetenz einen besonderen Wert erhielt und Menschen, die eher ein zusammenhängendes Interesse zeigten und im Einzelnen vielleicht nicht wirklich dezidierte Ahnung hatten, zunehmend ins Hintertreffen gerieten.
Die Grundlage für eine Form des Maschinendenkens war in der Welt.
Der ökonomische Stoffwechsel, um bei der Assoziation zu bleiben, ist auf die Verarbeitung vieler hochspezialisierter Individualkompetenzen ausgelegt, die in der Verdichtung zwei Ziele verfolgen: Wachstum und Perfektion.
Darüber haben auch schon andere nachgedacht.
Joseph Schumpeter
Joseph Schumpeter, 1883 – 1950, hat im Jahr 1911 im Alter von 28 Jahren seine Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung veröffentlicht und gab damit dem Begriff Innovation eine zentrale Bedeutung.
Wir wissen, viele höhere Säugetiere können sich gegenseitig zum Gähnen anregen. Ein körperlicher Impuls, gegen den wir uns kaum wehren können. Aber nicht nur innerhalb einer Spezies funktioniert dieses reziproke [2] Verhalten. Auch Hunde gähnen manchmal, wenn ihre Besitzerin oder ihr Besitzer das auch gerade tat.
Menschen haben Freude am Spielen in der Gruppe, so wie auch andere [höhere] Säugetiere offensichtlich Spielfreude zeigen. Soweit ist dies keine ergibige Feststellung.
Schumpeter spekulierte darüber, dass neben dem rein ökonomischen Effekt, der mit einer Innovation in Verbindung zu stehen hat, auch ein psychologisches Motiv eine Rolle spielt. Er sprach von der Freude am Gestalten als einem zentralen Antrieb, wie Menschen sich mit der Welt und damit mit der Verbesserung derselben beschäftigen und folglich auch, wie sie diese Welt gestalten können.
Im Zusammenhang mit diesem schönen Gedanken entwickelte sich in der auf produktive Prozesse ausgerichteten Zeit seines Wirkens (und bis heute) vorwiegend der Begriff des Einzelkämpfers.
Bleiben wir mal beim generischen Maskulinum, auch wenn es natürlich auch die weibliche Form davon gibt. Spannend ist die englische Übersetzung als lone wolf. Vor allem darum, da es einsame Wölfe im Grunde nicht gibt. Wölfe leben in Rudeln von in der Regel fünf bis 12 Tieren.
Sie sind über die Genetik [2] der eigenen Familie oder über die Aufnahme anderer Wölfe für eine bestimmte Zeit oder auch auf Dauer gekennzeichnet.
Alles interessant. Vor allem, wenn wir später in diesem, aber auch in anderen Texten über Teams und deren ideale Grösse und Zusammensetzung sprechen.
Einzelkämpfer
Der Begriff Einzelkämpfer ist verräterisch, deutet er doch darauf hin, welche Bedeutung die individuelle Leistung einnimmt. Besonders im Vergleich, wenn ein Ergebnis mit anderen geteilt wird bzw. werden muss.
Ganz zu schweigen von der intentionalen und induktiven Vorstellung, die mit dem Begriff Kampf in Verbindung steht.
Die Intention (Absicht) bezieht sich auf das Einzelne und rückt den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt (der mentalen Kraft).
Die Induktion spitzt das Ergebnis des Kampfes noch einmal zu.
Der Einzelkämpfer hätte etwas geschaffen, was eine gewisse Allgemeingültigkeit und damit Übertragbarkeit darstellt.
Es wäre etwas Endgültiges mit der Strahlkraft eines finalen Ergebnisses geschaffen worden.
Man könnte auch sagen: Besser geht es nicht.
Was für eine Farce, was für eine Fehlkalkulation.
Alles auf der Welt verschwindet, wenn es diesen Punkt der Hybris erreicht hat.
Wenn man nicht selbst betroffen ist, kann man meist von Glück sprechen.
Ebenso verkehrt, im Sinne des Wortes, wäre jedoch auch die Vorstellung, die individuelle Kreativität und Leistung spiele keine Rolle.
Wir müssen nur Kinder beobachten und erkennen, wie sie welches hierarchische System in ihr Spiel integrieren.
Wir müssen nur zuschauen, wie eine Person an einem ihr fremden Ort zufällig eine Lösung zu einem Problem [2] entwickelt. Oder wie Menschen in einer extremen Situation, die das eigene Leben oder jenes anderer in Gefahr bringt, plötzlich und intuitiv das Richtige tun.
Unterschiedliche Aspekte individuellen, typisch menschlichen Handelns [2] [3] [4], doch mit einem gemeinsamen Kern:
Die persönliche Leistung hat in Relation zu einer bestimmten Situation eine herausragende Bedeutung, wäre jedoch ohne den sozialen bzw. den formativen (versus summativen) Kontext nicht möglich gewesen.
Das zentrale Thema ist Lernen. Die Frage ist, um mit Peter Schumpeter zu sprechen, welche Bedeutung die individuelle Freude zu einem Motiv werden lässt, um etwas zu lernen bzw. dieses Lernen anzuwenden.
Die Entwicklung von Gesellschaften ist eine Geschichte hierarchischer Ordnungen, von autokratischen Strukturen und der Ausübung von Macht.
Die Sklaven wurden beim Bau der Pyramiden nicht danach ausgesucht, ob sie Freude an der Mitwirkung hätten. Bauern waren zur Arbeit auf Feldern und zur Abgabe eines Teils ihrer Ernte von dort an ihre Lehnsherren gezwungen, die ihnen nicht gehörten. Englische Bauern, die in ihrer Not, ihre Familie nicht mehr ernähren zu können, waren vermutlich nicht begeistert, an 12 Stunden des Tages und an sechs Tagen in der Woche an einer Maschine eine sich permanent wiederholende Tätigkeit auszuführen.
Ich weiss um die traurige und gleichzeitig relative Schlichtheit dieser historisch anmutenden und damit für unser Alltagsbewusstsein überwundenen Beispiele.
Doch wenn wir heute mit einer Normalität im Unterton von Clicworker sprechen, dann kann man, wenn man genau hinschaut, durchaus Ähnlichkeiten erkennen.
Die Komplexität unserer global vorherrschenden Ordnung fordert meist kleinteilige und hierarchische Strukturen. Der ökonomische Metabolismus muss immer smarter und faster werden, um die Insuffizienz [2] der Systeme zu vermeiden oder zu verschleiern.
Wer baut schon alleine ein Haus?
An einem handelsüblichen Computerchip, wie er in einem heute normalen Smartphone eingebaut ist, sind Unternehmen aus ca. 60 Ländern tätig.
Wir könnten dies auch als eine ungewöhnliche Form der Friedenssicherung bezeichnen, da niemand auf die kleinen Geräte in unseren Taschen verzichten möchte.
Doch es wird deutlich, wie mittelbar das Leben wurde. Und die Formen des Lernens machen hier keine Ausnahme. Warum auch?
Freude am Tun
Der freie Wille, die Freude am Tun, die Entwicklung individueller Potenziale und Talente sind nicht zwingend das, was eine Gesellschaft unterstützt. Und damit auch nicht unbedingt im Rahmen von Bildung fördert.
Menschen, die ihre Potenziale entwickeln können und im Kern ihrer Fähigkeiten kraftvoll im Leben stehen, haben auch Ängste überwunden und die Erfahrung der Selbstermächtigung gemacht.
Dies ist jedoch nicht unbedingt im Interesse der Institutionen bzw. der jeweils dominanten Teile einer Gesellschaft.
Doch es gibt natürlich kraftvolle und positive Beispiele.
Wenn wir heute von Bildung sprechen, dann denken wir zügig an Lehrplanung und damit an eine Art Rezept, wie Bildung funktionieren soll. Der Plan ist dann erfüllt, wenn alle eine vergleichbare Prüfung ablegen und diese mit Erfolg bestehen.
Ein verführerisches Konzept.
Der Erfolg hat jedoch nur wenig Aussage bzw. Bedeutung über und für jene Person, die dieses Ergebnis innerhalb eines Planes erfüllte.
Ob damit wirklich etwas gelang, ob die gleiche Person das erfüllte, von was sie erfüllt ist, das wird mit den gleichen Lehrplänen nicht geprüft. Wie soll das auch möglich sein?
Die Person war erfolgreich, denn die Prüfung wurde bestanden. Ob sie mit dem, was diese Prüfung forderte, auch etwas Eigenes zum Gelingen brachte, einer eigenen Vision folgte, das ist eine Frage, die durch Nichterreichbarkeit ihre Bedeutung erhält.
Klingt vielleicht seltsam, ist in der Folge meiner Gedanken zu diesem Text jedoch wichtig und hier in einem Leitsatz gebündelt:
Die grundsätzliche Nichterreichbarkeit eines Vorhabens führt zu langfristig bedeutenderen Ergebnissen als die Erreichung einzelner Ziele und die damit verbundene kurzfristige Befriedigung.
Kooperation
Menschen sind von Natur aus kooperative [2] Wesen. Eine Gemeinschaft zu bilden bzw. in einer Gemeinschaft zu wirken, scheint eine naturgemäße Eigenschaft der Menschen zu sein. Ganz so, als wäre dies eine Vorgabe der Natur, der wir gefälligst nicht zu widersprechen hätten.
Wenn wir an die Entwicklung [2] der Religionen denken und über die verführerische Kraft, nur noch einen Gott anbeten zu müssen (auch wenn dieser in der Dreifaltigkeit mehrere Funktionen hatte), dann erkennen wir die Sehnsucht der Menschheit nach einer führenden Ordnung.
Doch vielleicht ist dies nur ein tief verwurzelter Irrtum, der sich in Glaubenssätzen [2] [3] spiegelt, die subkutan unser Unterbewusstsein [2] [3] [4] besetzt halten und wie Axiome auftreten.
Jetzt beginnt der Ernst des Lebens! Aller Anfang ist schwer! Das Leben ist kein Wunschkonzert! Wer hoch fliegt….
Wir kennen diese klebrigen Regeln des Lebens, die nur schwer aufzulösen sind.
Doch es kann auch anders sein!
Die kooperative Fähigkeit des Menschen bedeutet schliesslich nicht, dass Menschen ihre Mitwirkung bzw. Aktivität in einer Gruppe (wir könnten auch von einem Team sprechen) ohne Freude und nur mit dem Ziel eines Erfolges verbringen würden.
Wir könnten die Glaubenssätze auch in ihrer Bedeutung ins Positive spiegeln:
Jetzt beginnt der Spass des Lebens! Aller Anfang ist leicht! Das Leben ist ein Wunschkonzert! Wer hoch fliegt, wird weiter fliegen!
Motive
Denn wir sprechen von den Motiven, warum Menschen parallel zum Grad der Freiheit, mit dem sie ihre eigenen Entscheidungen treffen können, etwas Eigenständiges tun.
Oder eben nicht.
Oft zeigen die Begriffe und Wörter ihren tieferen Sinn, wenn man genau hinschaut.
Die Bedeutung braucht die Fähigkeit zur Deutung. Wir könnten auch von Interpretation sprechen.
Die Verantwortung trägt die Frage nach der Antwort in sich bzw. sucht jene, die eine Antwort geben können.
Eine Entscheidung [2] bringt die Eindeutigkeit bzw. die Konsequenz mit sich, das eine vom anderen zu scheiden.
Die Aufgabe kann nur von jenen erfüllt werden, die auch die Gabe (Begabung) zu einer Lösung haben.
Und so weiter.
Auch der Begriff Motivation zeigt im Grunde auf den ersten Blick, worum es geht. Ich kann mich nur für das motiveren bzw. motivieren lassen, wenn ich ein Motiv dafür habe bzw. die Aussenwelt mein Motiv kennt, besser: mein Motiv wahrnimmt und entsprechende Angebote macht.
Lehrmethoden basieren häufig auf dem vertikalen Prinzip der negativen Konsequenz bei Nichterfüllung einer Vorgabe.
Wir sprechen ungern von Strafen, doch im Grunde wäre dies die korrekte Bezeichnung.
Frei nach dem Motto: auf die Aufgabe folgt die Abgabe sind Reproduktion der methodische Ansatz und damit leider auch [systembedingt] die Austauschbarkeit der Personen (eher als Objekte in einem Prozess), um den Ablauf dessen nicht zu unterbrechen, was die Gesellschaft bzw. eine Institution in derselben am Laufen hält.
Das macht ja auch irgendwie Sinn.
Doch Strafen sind am Ende immer kontraproduktiv (wenigstens für die Betroffenen).
Sanktion
Die unausgesprochene Sanktion (negative Konsequenz) führt meist nur zur Fixierung der geplanten Qualität bzw. dem [damit erreichbaren] Optimum innerhalb einer Begrenzung.
Vielleicht wäre sehr viel mehr oder etwas ganz anderes möglich.
Das ist jedoch nicht vorgesehen.
Die japanische Gesellschaft ist nicht ausschliesslich dafür bekannt (Vorsicht: stereotype Vorurteile), dass sie durch eine flache Hierarchie beflügelt, das Bild der Frau frei von beengenden Erwartungen oder der Blick auf Fremde ohne jeden [wenn auch sehr subtilen] Hochmut wäre.
Doch es gibt wenige Gesellschaften, die das Prinzip der Optimierung so sehr zur Kultur des sozialen Miteinanders erklärt haben.
Kaizen bedeutet Veränderung zum Besseren. Wobei man natürlich sofort die flotte Begeisterung ein wenig zügeln sollte. Sinnvoller wäre die Frage: Besser für wen, für was und mit welchem Aufwand?
Ein anderer japanischer Leitgedanke, in Japan nennt man dies gerne Klugheitsregel, lautet Hara hachi bun me und bedeutet: Fülle deinen Magen nur zu 80 Prozent. Man könnte dies mit einer eher westlichen Verkürzung auch in Was ist genug? oder Wieviel ist [für uns] genug? übersetzen.
Nicht sehr leicht, wenn wir bedenken, wie unfähig wir schon sind, normalen Hunger zu erkennen oder wahrzunehmen, wann wir satt sind.
Kohärenz
Es gibt im Kontext dessen, was ich in diesem Text herausarbeiten möchte, einen zentralen Begriff:
Kohärenz [2] bedeutet im psychologischen Sinne bzw. in Bezug auf unsere Wahrnehmung, dass wir immer verstehen wollen, was uns umgibt, mit was wir konfrontiert werden und damit auch, was uns gefährden könnte.
Die Evolution [2] der menschlichen Spezies war schliesslich die längste Zeit nicht gewohnt, mehr oder weniger permanent in einer 20°-Kultur mit konstanter Kühlkette, mit Ausfallversicherungen und einer Rückgabegarantie zu verbringen.
Die Reflexe und intrinsischen Anlagen sind aber noch in uns präsent.
So wie der Schluckauf ein Reflex aus jener Zeit sein könnte, in der eine Frühform von uns noch nicht zum Leben auf dem Land in der Lage war und durch diesen Reflex Wasser vom Mund in die Kiemen leitete, um den lebensnotwendigen Sauerstoff verwerten zu können.
Das menschliche Gehirn fordert einen kohärenten Zustand, da dieses Organ nur dann seine Aufgabe zur zentralen Steuerung aller [über-] lebensnotwendigen Funktionen unseres Körpers übernehmen kann. Jede Abweichung von gewohnten bzw. bekannten Aspekten führt dazu, dass wir wieder Kohärenz anstreben.
Wir können nicht anders!
Unser Gehirn belohnt uns dafür mit Hormonen wie Dopamin, Serotonin und Endorphinen, aber auch Opiaten, die uns als Mischung den berühmten Kick geben: ein Gefühl der umfänglichen Zufriedenheit.
Ähnlich funktionieren Sex, Bungee-Springen oder üppiger Genuss von Schokolade.
Kohärenz bedeutet, unser Gehirn bzw. unser Organismus verbraucht so am wenigsten Energie. Jede Abweichung bedeutet mehr Aufwand (an Energie).
Nun könnten wir zügig die Meinung vertreten, es wäre nach dieser Logik (ein wichtiger Aspekt von Kohärenz) doch am besten, wenn ein uniformer Ablauf, eine Methode, die sich an dem Maß der Mitte orientiert und damit das, was alle leisten können, doch der ideale Ansatz sein sollte.
Wir sollten vielleicht besser sagen: Was alle gut genug leisten können!
Darauf kamen auch schon andere.
Normalverteilung
Carl Friedrich Gauß, 1777 – 1855, war einer der letzten Universalgelehrten (ich spreche gerne von Universalinteressierten). Vor allem war er Mathematiker. Die nach ihm benannte Gaußsche Normalverteilung könnte, neben der Genialität der Arbeit von Carl Friedrich Gauß, auch als das Fundament einer immer noch als modern interpretierten Bildungsnorm [2] bzw. Lehrmethode gelten.
Was aber ist die Gaußsche Normalverteilung?
Kurz gesagt bedeutet dies, dass auf beiden Seiten des Mittelwertes eine symmetrische Verteilung ähnlicher, also vergleichbarer Werte auftritt.
Werte – wir sollten im Kontext des Folgenden eher von Daten sprechen – nahe des Mittelwertes treten deutlich höher auf als jene Daten, die von dem Mittelwert stark abweichen. Optisch entsteht, je nach der Position des Mittelwertes auf der X-Achse, die nach rechts komplexer bzw. schwieriger wird (wir sprechen ja von Lehrmethoden), eine mehr oder weniger spitze oder flache Glockenform.
Wenn wir das verstanden haben, dann kann man mit einem Moment des Nachdenkens gut verstehen, dass eine Gesellschaft versucht, die Mittelwerte der Lehrmethoden so auszurichten, dass möglichst viele unter ähnlichen Kriterien zu gleichen, also vergleichbaren Ergebnissen kommen und damit die Prüfung bestehen.
Das ist ein wenig wie ein Kapitän der einen Sextanten so einsetzt, um möglichst gefahrlos das gewünschte Ziel zu erreichen.
Und wenn wir nun den globalen Wettbewerb bzw. (im Zusammenspiel der Hochschulen und Universitäten in Europa) den Bologna-Prozess betrachten, dann wird der Druck auf eine uniforme und globale Sicht auf Bildung immer grösser.
Und dies passt gut zum Anspruch genereller Standards in einer nach Globalisierung strebenden Welt, in der jedes Teil an jedem Ort zu den gleichen Bedingungen den gleichen Nutzen bzw. Ertrag bringt. Eigentlich ein nachvollziehbarer Gedanke.
Wir sprachen eben von einem, der möglichst gefahrlos sein Ziel erreichen möchte.
Nun kann es mit Blick auf die Intention in diesem Text besser sein, ein Ziel nicht zu erreichen. Warum? Wie der schnell erreichbare Kick durch einen [durch Vergleichbarkeit definierten] überschaubaren Erfolg, so spielt unser Gehirn nicht gerne mit, wenn es ständig die schon erwähnte Kohärenz immer neu wiederherstellen muss.
Vergleichbar mit einem Kauferlebnis [2] entsteht Stress, da das Ziel des Kaufs ohne grosse Umwege erreicht wurde und danach ein kleines Gefühl der Leere, genährt durch Unzufriedenheit, entsteht.
Wer kennt das nicht?
Und wer hat das besser verstanden als der Versanddienstleister Amazon? Der Link beschreibt das Prinzip relativ ausführlich.
Ich spreche dabei, auch in anderen Texten, gerne von der Amazonisierung [2] der Welt und meine das Prinzip, wie das menschliche Gehirn über immer kürzere Erfolgs- bzw. Verführungsfrequenzen einer permanenten Inkohärenz und Disharmonie ausgesetzt wird.
Wir brauchen jedoch dringend die Übersichtlichkeit und Logik der Zusammenhänge, um uns sicher durch unser Leben bewegen zu können. Und wir sind im Grunde Wesen, die zum Genuss streben.
Das Streben nach Harmonie, sowie die Umgehung von Konflikten gehört sicher zum kulturellen und tief eingebetteten Kern der menschlichen Spezies.
Eigentlich kein Problem, wenn es da nicht ein Problem gäbe.
Der Zwang zur permanenten Befriedigung durch [Mikro-] Erfolge und das dringende Bedürfnis zum Vergleich mit der uns [digital-auratisch] umgebenden Welt führt in die zunehmende Bereitschaft zur Externalisierung unserer Wahrnehmung, verbunden mit dem latenten Bewusstsein, dies wäre gut für uns.
Der Trigger ist unser Glauben es wäre wirklich so.
Aber wir verhalten uns nur verhältnismäßig, wir könnten auch sagen: wir verhalten uns passend.
Wir passen uns an.
Ich gebe zu, das klingt etwas dramatisch und wenig individuell.
Sind wir nicht eigentlich auf der Suche nach den weiter oben genannten kraftvollen und positiven Beispielen.
Positivismus
Es gibt in der Philosophie die Denkrichtung des Positivismus. Wenn man sich damit ein wenig beschäftigt und darüber nachdenkt, dann gewinnt man irgendwann den Eindruck, das Thema Denken stehe etwas sperrig im Weg. Warum?
Der Positivismus fordert im Grunde die Überprüfbarkeit dessen, was wir sinnlich und damit auch irrational [2] wahrnehmen.
Das klingt gut, ist aber nur schwer umzusetzen.
Die Intention des Positivismus als eine Art späterer Fahnenträger der Aufklärung, Wegbereiter einer von den Naturwissenschaften dominierten Welt und jener Initiative, die den Einfluss der eher spröden Vorgehensweise der althergebrachten Scholastiker ein wenig alt aussehen liess, vor allem jedoch der Versuch, den immer noch prägenden Druck der Kirchen auf die Menschen, also die Gesellschaft, zu verändern, das war und ist sicher positiv zu sehen.
Warum klinge ich hier so kritisch?
Vielleicht ist die Vereinnahmung des Begriffes positiv, vor allem wenn wir es auf die innewohnende Essenz [2] [3], das Gute denken, gut sein und das Gute tun, beziehen, kein gelungener Ansatz, um die Welt zum Besseren zu wenden.
Auch wenn ich weder in der Position noch mit der Tiefenkenntnis ausgestattet bin, darüber umfassend urteilen zu können.
Aber trotzdem: Ist es nicht so, dass jedes Tun, das am Ende Freude macht, eine gute Wirkung entfalten konnte und in angenehmer und inspirierender Erinnerung bleibt, der wesentliche Motor für jede Veränderung ist?
Die Naivität dieses Satzes ist mir vollkommen bewusst, bedenken wir, wie oft wir den vermeintlichen Erfolg der exakt gegenteiligen Entwicklung auf diesem Planeten beklagen könnten.
Aber trotzdem: Wenn man das Leben in einer Parabel [2] beschreiben würde, dann würden vermutlich nahezu alle Vertreterinnen und Vertreter der menschlichen Spezies am Ende ihrer Tage, in den letzten Augenblicken ihrer Wahrnehmung, der folgenden Aussage zustimmen:
Das Gute, das Positive in ihrem Leben war der eigentliche Sinn von allem.
Wenn wir diesen, wie schon zugegeben, naiven Gedanken noch ein wenig wirken lassen, dann ist die Leuchtkraft dessen, warum Menschen einfach nicht aufhören können, die Welt zu gestalten, und sei es auch nur die eigene, noch sehr kleine Welt, dann versteht man, warum Lernen wie der Sauerstoff zum Leben gehört.
Wir können der Lust, etwas verstehen zu wollen, einfach nicht entrinnen.
Wir lassen das mal so stehen.
Für alle die gerne den ersten Teil lesen wollen: LERNEN_1 [basics]
Für alle, die gerne den zweiten Teil lesen wollen: LERNEN_2 [verwertung]
Für alle, die gerne den dritten Teil lesen wollen: LERNEN_3 [hände]
Für alle, die gerne den vierten Teil lesen wollen: LERNEN_4 [geschichte/n]
Für alle die gerne den fünften Teil lesen wollen: LERNEN_5 [prozesse]
Für alle, die gerne den siebten Teil lesen wolen: LERNEN_7 [haltung!]
Für alle, die gerne den achten Teil lesen wolen: LERNEN_8 [+KI]
Für alle, die gerne den neunten Teil lesen wolen: LERNEN_9 [vision] > folgt
Für alle, die gerne den zehnten Teil lesen wolen: LERNEN_10 [post-vision] > folgt
Wer doch lieber auf Papier lesen möchte, findet hier das PDF.
Dieser Text entstand im Rahmen meines Forschungsprojektes mit dem Titel EDUCATION FUTURES im Sommersemester 2025. Hier die Erläuterungen zur Intention der Arbeit:
EDUCATION FUTURES
Transformation der Bildung und Anforderungen an neue Methoden.
Bildung gilt als die Währung der Zukunft und als zentraler Aspekt der verantwortlichen Gestaltung einer Welt von Morgen, deren Aufgaben exponentiell komplexer und zunehmend dynamischer werden.
Bildung generell und damit auch der Anspruch in Hochschulen orientiert sich an dem Ansatz vertikaler und inkrementeller Strukturen und der damit verbundenen Organisationen, während die Einflussfaktoren der Digitalität im Kern einer systemisch vernetzten und iterativen Logik folgen.
Wenn die gewohnten Aufgaben und Tätigkeitsfelder mit digitalen und automatisierten Routinen sowohl effizienter als auch variabler sowie die kommunikativen Anforderungen direkter erstellt werden können, dann drängt sich die Frage auf, was diese Entwicklung für das Zukunftsbild des Berufsfeldes Design und Kommunikation langfristig bedeutet.
Möglicherweise bedeutet dies, die Enge einer auf ein Fachgebiet konzentrierten Disziplinarität generell neu zu denken und Szenarien zu formulieren, in denen unterschiedliche Disziplinen agil und dynamisch ein gemeinsames Ziel zur Lösung eines Problems verfolgen.
Marvin Minski, einer der Gründerväter der Künstlichen Intelligenz, hat diesen Gedanken unter dem Begriff der Heterarchie zum Ausdruck gebracht. Ein Begriff, der auf einer Metaebene jede Struktur so variabel nutzt, damit ein iterativer Prozess eine hohe Qualität des Ergebnisses ermöglicht und das avisierte Ziel effizient erreicht.
Damit Bildung zu unserer Zukunft passt, brauchen wir neue Methoden, neue, auch radikale Ansätze sowie den Mut zur Spekulation und Improvisation, um den Aufgaben in unperfekten Welten gerecht zu werden.
Dies bedeutet vielleicht auch die Aufgabe grundlegender Überzeugungen, wie Wissen entsteht, wie Menschen ihr Potenzial entwickeln und wie eine inklusiv denkende Gemeinschaft zu einem kreativen Wettbewerb der besten Ideen zusammenkommt und sich von einem Maschinendenken löst, welches kreative und verantwortliche Lösungen nur mit dem Anspruch an Verdrängung und den kurzfristigen ökonomischen Erfolg verbindet.
Der zweite Teil der Forschungsarbeit bestand in der Ausarbeitung verschiedener Glossare mit dem Ziel, Methoden für die konkrete Anwendung in der Bildung nachvollziehbar zu beschreiben.
Methodenglossar_1 [kommunikation + design]
Methodenglossar_2 [innovation + workshop]
Methodenglossar_3 [debatte + diskurs]
© Carl Frech, 2025
Die Nutzung dieses Textes ist wie folgt möglich:
01 Bei Textauszügen in Ausschnitten, zum Beispiel als Zitate (unter einem Zitat verstehe ich einen Satz oder ein, maximal zwei Abschnitte), bitte immer als Quelle meinen Namen nennen. Dafür ist keine Anfrage bei mir notwendig.
02 Wenn ein Text komplett und ohne jede Form einer kommerziellen Nutzung verwendet wird, bitte immer bei mir per Mail anfragen. In der Regel antworte ich innerhalb von maximal 48 Stunden.
03 Wenn ein Text in Ausschnitten oder komplett für eine kommerzielle Nutzung verwendet werden soll, bitte in jedem Fall mit mir Kontakt (per Mail) aufnehmen. Ob in diesem Fall ein Honorar bezahlt werden muss, kann dann besprochen und geklärt werden.
Ich setze in jedem Fall auf Eure / Ihre Aufrichtigkeit.