BUSINESS DESIGN Q&A

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Manchmal hilft ein Katalog von Fragen um herauszufinden, was man herausfinden sollte. Eine Art Business Canvas aus dem Jahr 1998.

Wenn Menschen auf die Idee kommen, ein Unternehmen zu gründen und damit etwas zu unternehmen, werden oft einfache bzw. wichtige Fragen nicht oder erst zu spät gestellt. Die Begeisterung, durchmischt mit einer irrationalen Hoffnung verführt zu Aktivitäten, die sich in der Folge als Fehler darstellen. Warum ist das so? Vermutlich darum, da wir gerne etwas ausprobieren, etwas wagen und nicht über alles nachdenken wollen. Und das ist auch gut so, da sonst vielleicht niemand etwas wagen würde. Aber man muss ja nicht alle Fehler machen. Und wenn man welche macht, dann sollten es wenigstens immer neue sein. Hier ein paar Fragen, für die man vielleicht vor dem Start zu einem neuen Unternehmen wenigstens kurz nachdenken sollte:

01 Kennen wir das Geschäftsfeld (Branche) gut genug?

02 Kennen wir das Geschäftsfeld (Branche) zu gut (Augenklappen-Effekt)?

03 Ist in dem Bereich da draussen schon jemand aktiv (Blue Ocean-Strategie)?

04 Wenn ja, kennen wir die Mitbewerber, die Konkurrenz (und deren Qualitätslevel)?

05 Ist überhaupt ein echtes Problem zu lösen?

06 Wenn ja, verstehen wir die technischen Herausforderungen einer möglichen Lösung?

07 Haben wir die nötigen Informationen über das Potenzial des Geschäftsfeldes?

08 Haben wir die Kompetenz, den für uns erreichbaren Anteil in dem Geschäftsfeld (Branche) zu schätzen?

09 Wenn ja, haben wir die Kompetenz, die Entwicklung unseres Anteils über einen längeren Zeitraum zu schätzen?

10 Haben wir ein eindeutiges und fokussiertes (verständliches) Angebot?

11 Haben wir die Kompetenz für die ersten Schritte in der richtigen Reihenfolge und deren Einfluss auf den gewünschten Erfolg?

12 Wenn ja, sind wir in der Lage unsere Aktivitäten zwischen wichtig und dringend bzw. zwischen ausreichend und ausschweifend zu unterscheiden?

13 Kennen wir unser grösstes Potenzial (best practice) bzw. den überzeugendsten Teil unseres Angebotes (USP)?

14 Kennen wir den schwächsten Teil unseres Potenzials (worst practice failure)?

15 Kennen wir den idealen Zeitpunkt für den Markteintritt?

16 Arbeiten wir im besten Team?

17 Wenn nicht, welche Kompetenzen fehlen zwingend für den gemeinsamen Erfolg?

18 Wenn ja, welche Kompetenzen brauchen wir möglicherweise in der Zukunft?

19 Sind wir in der Lage, die Halbwertzeit für den Erfolg unseres Angebotes im Markt einzuschätzen?

20 Wenn ja, haben wir die Kompetenz bzw. haben wir eine Art Geheimnis (Nukleus für den zwingenden Erfolg), das unsere Position im Markt auch langfristig sichern hilft?

Natürlich kann man auch etwas differenzierter an einem Plan arbeiten. Diesen Business Canvas habe ich im Jahr 1998 im Zusammenhang der Begleitung verschiedener Gründungsvorhaben entwickelt. Inzwischen gibt es neue bzw. optimierte Fassungen davon. Die folgenden Kategorien und Fragen sind noch die ursprüngliche Version aus dem Jahr der Entwicklung.

01 Branche

Definition der Branche generell.

Abgrenzung der Über- bzw. Unterordnung zu anderen Branchen.

Klärung und Recherche historischer Bezüge. Wie hat sich eine Branche entwickelt? Welche Abspaltungen gab es? Gab es herausragende Entwicklungen (Innovationen, Reaktionen auf gesellschaftliche Veränderungen, technische Veränderungen in komplementären Bereichen).

Welche Tendenzen und Trends gibt es innerhalb dieser Branche?

Gibt es alternative Entwicklungen in anderen Branchen zu vergleichbaren Themen, Problemen bzw. Herausforderungen?

Gibt es komplementäre Angebote mit dem Potenzial höherer Relevanz für Zielgruppen?

Verfügt die Branche über eine Art knappes Gut = wertvolles Angebot?

Welche Rolle spielen die Themen Identität, Vertrauen, Solidität, Modernität bzw. Marke und Kommunikation?

02 Branchenvertreter

Gibt es relevante führende Vertreter in der Branche?

Wie sind die Grössenverhältnisse der Branchenvertreter untereinander?

Wo finden sich die erfolgreichsten Anbieter (Rendite/ROI, innovative, qualitative, attraktive Angebote)?

Gibt es hidden champions und warum haben sie diese Position (ggfs. bewusst gewählt)?

Gibt es hidden player mit dem Potenzial, in Zukunft eine deutlich grössere Rolle in dem Marktfeld zu spielen und wie begründet sich dies. 

Bei schwer zugänglichen Informationen: Gibt es relevante Quellen oder Experten um die nötigen Informationen zu erhalten?

03 Probleme und Herausforderungen

Welche Gradation (Grössenordnung) der Probleme und Herausforderungen liegen vor bzw. sind bekannt?

Gibt es Schlüsselprobleme, die gelöst werden müssen, um weitere Probleme lösen zu können.

Gibt es sog. treibende Faktoren durch Wettbewerber, Technologien, Konsumenten/Zielgruppen, Gesellschaft oder Umwelt (competitor driven, technology driven, consumer driven, envirionmentally driven, socially driven)?

Ist das Umfeld eines identifizierten Problems bekannt bzw. was lässt sich daraus lernen (Problemfeld = Lösungsfeld)?

Ist das identifizierte Problem stärker mit der Vergangenheit (Prinzipien, Methoden, Produkte) vernetzt oder gibt es eine Relevanz in zukünftige Anforderungen.

04 Wettbewerber

Welche qualitativen (‚Tanker vs. Speedboat‘) bzw. quantitativen Unterschiede gibt es in dem bekannten Umfeld der Wettbewerber (top/mid/low-level competitor)?

Wer sind die Marktführer für die Bereiche: Qualität, Innovation, Bekanntheit, Marke, Sympathie?

Gibt es hidden champions im Umfeld der Anbieter von Lösungen?

Gibt es hidden player mit dem Potenzial zukünftig in dem Angebotsumfeld eine grössere Rolle zu spielen?

05 Kommunikation

Wie sprechen die typischen Vertreter über sich selbst?

Gibt es relevante Unterschiede in der Form, den Prozessen und Methoden für die kommunikativen Anforderungen (standard practice, best practice, excellent practice)?

Gibt es herausragende Beispiele für verblüffende, unerwartete, provokative Ergebnisse (wild animal)?

06 Zielgruppe = Menschen

Gibt es eine relevante Kernzielgruppe für die identifizierten problemlösenden Produkte und Services?

Welche Unterschiede kann man bei den möglicherweise unterschiedlichen Zielgruppen feststellen?

Gibt es temporäre Verschiebungen der jeweiligen Aufmerksamkeit der einzelnen Zielgruppen zu den problemlösenden Produkten und Services?

Gibt es generative Unterschiede bei den Zielgruppen bzgl. der Nutzung und Integration der Produkte und Services in die jeweiligen Lebenswelten?

Gibt es relevante Zielgruppen an den Rändern des Feldes problemlösender Produkte und Services?

Gibt es noch nicht identifizierte Zielgruppen, die für die Veränderung der Produkte und Services in Zukunft eine bedeutende Rollen spielen können bzw. werden?

Gibt es identifizierbare Zielgruppen, die mit den Produkten und Services eine eigenständige, in der Weise nicht vorgesehene Lösung zu einem Problem realisiert haben?

07 Potenzial (generell)

Gibt es Informationen zu dem Potenzial in der Branche generell?

Ist das Potenzial wachsend oder fallend?

Welche Dynamik lässt sich bei einem wachsenden Potenzial identifizieren?

Welche Dynamik lässt sich bei einem fallenden Potenzial identifizieren?

Gibt es identifizierbare Indikatoren, die mit einem fallenden oder einem wachsenden Potenzial in Verbindung gebracht werden können?

08 Potenzial (erreichbar)

Wie gross ist das kurz- mittel und langfristig erreichbare Potenzial?

Welche Risiken sind mit einer Konzentration auf potenziell erreichbare Potenziale (Markteintritt) verbunden?

Gibt es einen identifizierbaren Startpunkt (Schlüsselerfolg, key-factor) für einen Markteintritt bzw. einen Prozess, die identifizierten Potenziale zu realisieren?

Gibt es Indikatoren für den richtigen Zeitpunkt, um einen Markteintritt zu starten bzw. gibt es eine belastbare Zeitplanung (timetable) für die darauf aufbauenden Schritte (Milestones)?

Sind die saisonalen, regionalen bzw. irrationalen Schwankungen in dem identifzierten Markt (Ebbe und Flut = tide level) bekannt?

Sind potenzielle Muster eines zukünftigen Wachstums [2] des identifizierten Potenzials bekannt (pattern of growth)?

Sind potenzielle Schritte bzw. Phasen eines zukünftigen Wachstum des identifizierten Potenzials bekannt (level of growth)

09 Ideen / Produkte / potenzielle Angebote

Gibt es Ideen, Produkte, Services bzw. generell potenzielle Angebote aus dem bestehenden Leistungsportfolio?

Gibt es kurz- und mittelfristig erreichbare (umsetzbare, realisierbare) Produkte, Services bzw. generell potenzielle Angebote eines zu definierenden Leistungsportfolio?

Welche Produkte, Services bzw. generell potenziellen Angebote würde das bestehende Leistungsportfolio radikal verändern (life changing)?

Welche Methoden und Prozesse führen zu den besten Ergebnissen (Ideen für Produkte, Services bzw. generell potenzielle Angebote)?

10 Aktivitäten / Risiken und Chancen

Welche Aktivitäten führen kurz, mittel und langfristig zu dem jeweils besten Ergebnis in Relation zu der Zielsetzung?

Sind die Risiken bekannt, die mit einer bestimmten Aktivität verbunden sein können?

Sind die Chancen bekannt, die mit einer bestimmten Aktivität verbunden sein können?
(Vertiefung durch SWOT Analyse).

11 Partner und Unterstützer

Sind potentielle Partner bekannt bzw. verfügbar, um gemeinsam mit diesen die Zielsetzung zu erreichen?

Sind diese Partner ideal für einen kollaborativen Prozess?

Sind diese Partner ideal für einen kooperativen [2] Prozess?

Sind diese Partner potenzielle Konkurrenten oder besteht das Potenzial, dass sie sich dazu entwickeln?

Haben die Partner eine impulsierende (Impuls gebende) Funktion (Transmitter)?

Haben die Partner eine partikulare Funktion (Diversifikation)?

12 Emotionale Hindernisse

Welche weiteren emotionalen, irrationalen und damit schwer greif- und begreifbaren Hindernisse können einen potenziellen Erfolg der Zielsetzung gefährden oder verhindern?

Welche Rolle bzw. Bedeutung haben emotionale bzw. irrationale Aspekte in Verbindung mit der jeweiligen Zielsetzung?

Haben die Partner eine kardinale Funktion (Abhängigkeit)?

Haben die Partner einen irrationalen bzw. nicht kommerziellen Beweggrund (Angels)?


Wer doch lieber auf Papier lesen möchte, findet hier das PDF.


© Carl Frech, Konzept und Methode: 1998, Text (Einleitung): 2021

Die Nutzung dieses Textes ist wie folgt möglich:

01 Bei Textauszügen in Ausschnitten, zum Beispiel als Zitate (unter einem Zitat verstehe ich einen Satz oder ein, maximal zwei Abschnitte), bitte immer als Quelle meinen Namen nennen. Dafür ist keine Anfrage bei mir notwendig.

02 Wenn ein Text komplett und ohne jede Form einer kommerziellen Nutzung verwendet wird, bitte immer bei mir per Mail anfragen. In der Regel antworte ich innerhalb von maximal 48 Stunden.

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Ich setze in jedem Fall auf Eure / Ihre Aufrichtigkeit.

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